Streit um "Open Arms" "Schande für die gesamte Menschheit"
Noch immer liegt die "Open Arms" vor Lampedusa, doch ihr Schicksal belastet die Beziehungen zwischen Italien und Spanien. Madrid nannte das Vorgehen Italiens eine "Schande für die gesamte Menschheit".
Margarita Robles hat genug von diplomatischen Worten. Die spanische Verteidigungsministerin machte jedenfalls gestern keinen Hehl daraus, was sie über Italiens Innenminister Matteo Salvini denkt. Seine Haltung angesichts der Open Arms-Krise sei eine "Schande für die Menschheit", sagte Robles. Für Wahlkampfzwecke setze er Menschenleben aufs Spiel.
Die Abneigung beruht auf Gegenseitigkeit. Nachdem die spanische Regierung erklärt hatte, den Hafen Algeciras für die Open Arms zu öffnen, hatte Salvini gesagt:
Die Immigranten an Bord der 'Open Arms' haben vor einigen Minuten die frohe Nachricht erhalten, dass die spanische Regierung die Häfen öffnet. Der spanische Premier hat einen spanischen Hafen zugewiesen, weil Salvini hässlich, böse, rassistisch und unvernünftig ist.
Polemisch und unbeugsam
Salvini gibt sich polemisch und unbeugsam. Der Hafen von Lampedusa soll der "Open Arms" verschlossen bleiben - so will es Salvini. Aber auch zwischen der Organisation "Proactive Open Arms" und der spanischen Regierung läuft es nicht rund. Sie weigert sich bislang, nach Spanien zu fahren.
Die Regierung in Madrid hatte zuerst den andalusischen Hafen Algeciras vorgeschlagen. Zu weit entfernt, schallte es von der "Open Arms" zurück. Später bot Spanien Häfen auf den Balearischen Inseln an, die nicht ganz so weit weg sind. Aber auch dorthin solle das Schiff nicht fahren, sagt Óscar Camps, der Gründer der Organisation "Open Arms". Die Besatzung sei mit einer mehrtägigen Fahrt nach Spanien überfordert, er könne nicht für die Sicherheit der Passagiere garantieren.
An die Adresse der spanischen Regierung sagte er: "Sie soll uns ein Boot schicken, das angemessen ausgestattet ist, um diese Menschen mit der gebotenen Sicherheit in den Hafen zu schicken, den sie für geeignet hält."
"Bereits 24 Stunden nutzlos verstrichen"
Für die spanische Vizeregierungschefin Carmen Calvo kommt das bislang nicht in Frage. Schon deshalb nicht, weil damit die Migranten auf der "Open Arms" anders behandelt würden als jene, die versuchen, Spanien über die Straße von Gibraltar zu erreichen.
Die Organisation habe nicht schlüssig erklären können, warum eine Reise auf der "Open Arms" nach Spanien nicht möglich sei, so Calvo in einem Radiointerview: "Wir haben sie gefragt, ob sie ärztliche Hilfe benötigen oder Treibstoff. Wir haben Angebote gemacht, es sind bereits 24 Stunden nutzlos verstrichen."
Seenotretter Camps spielt den Ball zurück: "Sie können nicht 18 Tage zu spät kommen, um uns mitzuteilen, dass wir nach Spanien fahren sollen", sagte er der spanischen Online-Zeitung "El Diario".
Schiffsbesatzung will nicht nach Malta
Es seien erst andere in der Pflicht gewesen, verteidigt sich Calvo. So habe das nahegelegene Malta etwa angeboten, die Open Arms in den Hafen einfahren zu lassen. Das habe die Besatzung des Schiffes allerdings abgelehnt und Italien vorgezogen. Der Chef der Open Arms bestreitet das: Malta habe nur 39 Migranten akzeptieren wollen.
Am späten Abend bot die italienische Regierung an, die Migranten mit der Küstenwache nach Spanien zu bringen. Die spanische Regierung müsse sich allerdings zuerst verpflichten, der "Open Arms" die spanische Flagge zu entziehen.
Das politische Tauziehen um das Schiff ist auch am Tag 19 des Dramas noch nicht vorbei. Zwar durften neun Menschen in Lampedusa an Land gehen - acht medizinische Notfälle und eine Begleitperson. Doch den übrigen Geretteten bleibt vorerst nur eines übrig: Warten.