Coronavirus-Lockerungen Spanien atmet vorsichtig auf
In Spanien gilt eine der strengsten Ausgangssperren weltweit. Am Abend hat Ministerpräsident Sánchez erklärt, wie er diese in den kommenden Wochen lockern will. Wie in Italien bessert sich auch in Spanien die Lage - langsam.
Spanien hat Wochen voller schlimmer Nachrichten hinter sich. Umso größer ist die Freude über gute. Gestern gab es wieder eine: Die Zahl der Neuansteckungen ist so niedrig wie seit gut sechs Wochen nicht mehr. Doch viele Spanier genießen die offiziellen Zahlen längst mit Vorsicht. Sie wissen: Die Dunkelziffer der Coronainfektionen dürfte deutlich höher liegen.
Ein ziemlich gutes Bild von der Lage hat Rocío Cebrián. Die Ärztin arbeitet in Spaniens größter Intensivstation im Krankenhaus Vall d’Hebron in Barcelona:
Die Lage hat sich verbessert, aber uns fehlen noch rund zwei Wochen, um wieder einigermaßen normale Verhältnisse zu haben. Vieles wird jetzt davon abhängen, wieviele Menschen mittlerweile eine Immunität gegen das Virus entwickelt haben, und ob es erneut zu einem starken Anstieg der Infektionen kommt.
Die erste Welle sei wie ein Tsunami gewesen, erzählt Cebrián. An manchen Tagen sei pro Stunde ein neuer Patient in die Intensivstation eingeliefert worden. Zeitweise lagen dort fast 180 Menschen - mehr als vier Mal über der Kapazität. Aktuell befinden sich noch 76 dort, sagt Cebrián. Die Ausgangssperre habe Wirkung gezeigt. Sie und ihre Kollegen können endlich einmal durchschnaufen.
Ministerpräsident: Kein Grund zur Entwarnung
Auch Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez sieht noch keinen Grund für eine Entwarnung. Aber:
Wir können ganz allmählich das Ende aufschimmern sehen. Es wird eine Belohnung für die gigantische gemeinsame Anstrengung sein, die wir in den vergangenen sechs Wochen auf uns genommen haben.
Seine Regierung schätzt die Lage mittlerweile als so stabil ein, dass sie den Bürgern wieder mehr Freiheiten zugesteht. Schon seit Sonntag dürfen etwa Kinder wieder auf die Straße. Erwachsene sollen ab dem kommenden Samstag spazieren oder joggen gehen dürfen. Ab Montag soll es dann weitere Erleichterungen geben.
Lockerung in vier Phasen
"Es wird vier Phasen im Rahmen dieser Lockerung geben, die wir in den kommenden Wochen durchschreiten", so Sánchez. In diesen Phasen soll die Ausgangssperre zunehmend gelockert werden. Dabei können einige Regionen schneller voranpreschen als andere - wenn es denn die Lage erlaubt. Auf Formentera und einzelnen Inseln der Kanaren zum Beispiel ist die Epidemie derzeit unter Kontrolle. Deswegen dürfen sie schon eine Phase weiter: Ab Montag können dort kleinere Geschäfte öffnen, während sie im Rest von Spanien noch geschlossen bleiben müssen.
Gut deutlich wird die Lockerung am Beispiel der Restaurants: Ab Montag, in der ersten Phase, dürfen sie Essen zum Mitnehmen anbieten. In der zweiten Phase können sie dann in den Außenbereichen Essen servieren, allerdings mit deutlich weniger Tischen. Und erst in der dritten ist auch die Bewirtung im Speisesaal erlaubt - auch hier mit geringerer Kapazität.
"Neue Realität" Ende Juni
Jede dieser Etappen soll mindestens zwei Wochen andauern. Da die Epidemie in den Provinzen und auf den Inseln unterschiedlich stark wüten dürfte, ist auch der Verkehr zwischen ihnen in den kommenden Wochen stark eingeschränkt.
Ende Juni könnte Spanien in der "neuen Realität" angekommen sein, so Sánchez - allerdings unter der Voraussetzung, dass die Epidemie dann in allen Landesteilen unter Kontrolle ist.
Pünktlich zum Sommer sollen dann auch Hotels wieder geöffnet sein - wenn auch mit Einschränkungen. Ob auch deutsche Touristen im Sommer wieder nach Spanien kommen können, ist allerdings weiterhin offen. Das wird auch von den Reisebeschränkungen der deutschen Behörden abhängen. Auf Mallorca rechnet man jedenfalls in diesem Sommer lieber vorsichtshalber mit einheimischen Touristen.