Mallorca-Regatta Erneut Orca-Zwischenfall mit Segelboot
Immer wieder gehen Orcas vor der iberischen Küste Boote an und beschädigen sie - nun musste ein weiteres Teilnehmerschiff der Mallorca-Regatta abgeschleppt werden. Forschern geben die Vorfälle Rätsel auf.
Die Schlagzeilen häuften sich in den vergangenen Monaten: Orcas vor der spanisch-portugiesischen Küste nähern sich Schiffen, beißen in die Ruder oder rammen den Rumpf. Erst vor zehn Tagen war ein Segelboot auf dem Weg zur Mallorca-Regatta "Copa del Rey" bei einem solchen Vorfall erheblich beschädigt worden, nun traf es ein weiteres Teilnehmerschiff. Die "Kapote III" sei in Richtung der lnsel unterwegs gewesen, als sie am Donnerstagabend auf Höhe des spanischen Küstenortes Estepona von mehreren Schwertwalen angegangen worden sei, teilten die Organisatoren des Wettbewerbs mit. Verletzt wurde demnach niemand.
Bei dem Zwischenfall rissen die Tiere ein Stück vom Steuerruder ab. Das Boot wurde manövrierunfähig und musste vom spanischen Seerettungsdienst abgeschleppt werden. Der Vorfall mit "drei oder vier" der Säugetiere habe wohl fünf bis zehn Minuten gedauert, erzählte Besatzungsmitglied Santi Villagrán. "Wir waren aber alle so nervös, dass es niemand genau weiß. Alle sagen was anderes."
Traumatisches Erlebnis oder nur ein Spiel?
Wissenschaftler rätseln derweil darüber, warum sich die Tiere vor der iberischen Küste so auffällig verhalten. Erstmals wurde das im Jahr 2020 beobachtet, inzwischen hat die Organisation "GT Orca Atlántica" (GTOA) mehr als 500 Meldungen gezählt. Demnach ereignen sich die Vorfälle vor allem in der Straße von Gibraltar. Ernsthaft verletzt worden sei bisher niemand, doch erlitten die Schiffe teils schwere Schäden. Erst im Mai sank eine Segeljacht, nachdem ein Rettungsboot die Besatzung an Bord genommen und das Schiff in Richtung des Hafens von Barbate geschleppt hatte.
Zur Ursache gibt es inzwischen mehrere Theorien. So geht etwa der Präsident der Umweltschutzorganisation Circe, Renaud de Stephanis, davon aus, dass die Orcas nur spielen wollen. Es sei zu erwarten, dass die Zwischenfälle aufhörten, sobald die Orcas dieses Spiel satt hätten.
GTOA-Biologe Alfredo López meint, es könne sich auch um eine Antwort auf ein negatives Erlebnis mit einem Schiff oder Boot handeln. Möglich sei aber ebenso, dass die Tiere einfach "etwas Neues erfunden" hätten und dies nun wiederholten. Die hochintelligenten Schwertwale sind soziale Tiere und adaptieren rasch ein Verhalten von Artgenossen.
Forscher: Keine "Attacken", sondern "Interaktionen"
Die Wissenschaftler der GTOA betonen jedoch, dass die Tiere nicht darauf aus seien, Menschen zu verletzen. Sie sprechen auch ausdrücklich nicht von "Attacken", sondern von "Interaktionen". Die Organisation erklärt auf ihrer Webseite, dass Iberische Orcas eigentlich Delfine sind und ihre Bezeichnung als "Killerwale" völlig falsch sei, da sie keine Menschen fräßen. "Es gibt Schlagzeilen in der Presse, die die Realität verwischen", sagt López. "All dies muss uns vielmehr dazu bringen, darüber nachzudenken, dass Aktivitäten des Menschen der Grund für dieses Verhalten sein könnten."
Die an den Vorfällen beteiligten Schwertwale in den spanisch-portugiesischen Gewässern sind eine Untergruppe der Orcas und mit bis zu 6,5 Metern deutlich kleiner als ihre arktischen Verwandten, die bis zu neun Meter lang werden können. Die spanische Regierung hat iberische Orcas 2011 als bedrohte Tierart eingestuft. Seit 2019 stehen sie auch auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN).