"PanamaPapers" Das Briefkasten-Imperium des Werner Mauss
Über Jahrzehnte war der Undercover-Agent Werner Mauss so etwas wie die Geheimwaffe deutscher Ermittler und Konzerne. Die "PanamaPapers" zeigen nun, dass Mauss sich über Jahre ein Netz von Briefkastenfirmen geschaffen hat - sie halten Konten, Wohnungen und Grundstücke.
Werner Mauss ist ein kleiner, fast hagerer Mann mit sanftem Händedruck und festem Blick. Trotz seiner 76 Jahre macht er, so sagt er, jeden Tag 50 Liegestütze. Wenn man ihn trifft erzählt er zügig und mit dynamischer Stimme die Geschichten aus seinem Leben als Geheimagent - auch ungefragt. Wie er als "ziviler Mitarbeiter des Bundeskriminalamts" in den 1960er und 70er-Jahren auf Verbrecherjagd gegangen ist. Mauss, so erzählt es Mauss, hat es mit jedem aufgenommen: Mit der Hisbollah und der RAF genauso wie mit betrügerischen Juwelieren und Kunstdieben.
Irgendwie schafft es Mauss, dass man unweigerlich alte Agentenfilme vor Augen hat, wenn er erzählt, wie er sich mit falscher Polizeiuniform von einem Hubschrauber abgeseilt hat, wie er mit dem Auto eine Schranke in der Tiefgarage durchbricht und sie "in 1000 Fetzen weggeflogen ist". Nicht nur seine Geschichten kommen aus der Vergangenheit, auch seine Worte, "Münzfernsprecher" zum Beispiel. Und hin und wieder kommt der Zungenschlag aus seiner Heimat Essen zum Vorschein, wenn er erzählt, wie er mal wieder jemanden verfolgt hat, klingt es mehr nach "vafolcht". Er kann lange davon erzählen, wie er jemanden verfolgt hat.
Ein Pass auf Claus Möllner - mit dem Foto von Mauss
Gern würde man in so einem Gespräch auch ein paar Fragen stellen und hoffen, dass es weiter aus ihm heraussprudelt. Aber es gibt Gesprächsthemen, da wird Werner Mauss einsilbig. "Gefahr für Leib und Leben", lautet dann oft seine Antwort. Oder er ist "nicht befugt", Auskünfte zu geben. Zum Beispiel zu Fragen zu den Offshore-Gesellschaften, die der Agent seit den 1990er Jahren immer wieder bei "Mossack Fonseca" registriert hat. Das zeigen die "PanamaPapers". Zwölf sind es insgesamt gewesen, einige davon gehörten ihm direkt, auf andere hatte er Zugriff. Ein paar davon auch heute noch aktiv. Oder Fragen zu dem aktuell gültigen Reisepass auf den Namen "Claus Möllner", der sich in den "PanamaPapers" als Farbkopie findet und auf dem ganz klar Mauss‘ Foto abgebildet ist. Möllner war bereits in den 1990er Jahren eine von Mauss‘ Tarnidentitäten, damals schrieb sich der Vorname noch mit "K". Sein richtiger Name, Werner Mauss, taucht in den Unterlagen nicht auf.
Man fragt sich, wozu er - über Jahre hinweg - diese ganzen Firmen brauchte, die zum Teil mit Millionen-Werten ausgestattet sind. Doch darauf gibt Mauss nur nebulöse Antworten - entweder sagt er, es sei "Privatsache" oder er sei "nicht befugt", darüber zu sprechen. Einige Firmen, sagt Mauss, nutze er für humanitäre Einsätze wie den Ankauf von Medikamenten. Viel konkreter wird er nicht.
Viele Briefkastenfirmen - seit Jahren
Eine der fraglichen Firmen ist die Firma "Nolilane" mit Sitz in Panama. Die Firma hält sein Anwesen im Südwesten Deutschlands. Ein Wohnhaus mit Reithalle und einem kleinen Flugplatz. Mauss hat schon Journalisten verklagt, weil sie geschrieben haben, dass ihm das Grundstück gehöre. In den Unterlagen findet sich der Beweis, dass das stimmt - zumindest gehört ihm die Firma, der es gehört.
Oder die Firma "Transacta Valores", ebenfalls registriert in Panama. Ihr gehören zwei Apartments in Frankfurt. Das sei eine Privatsache, sagt Mauss. Nur um eine halbe Stunde später zu erklären, dass er die Apartments dienstlich nutzt - um sich mit Leuten ungestört unterhalten zu können. Eine Art "Safe House" würde man in Agentenfilmen sagen, eine sicherer Ort sozusagen.
So eine Firma gibt es auch nochmal für ein Haus in Panama, beste Lage, gleiche Erklärung: Privatbesitz, der die Journalisten nichts angeht, aber der ausschließlich dienstlich genutzt wird. "Boreal Management", gegründet 1992 und laut einer internen Unterlage aus dem Jahr 2006 ausgestattet mit einem Konto bei der UBS-Bank in Hamburg. Ein solches Konto gebe es nicht, sagt Mauss. Die Briefkastenfirmen "Baird Ressources", "Capriccio Management", "Bradler International", "Nerbal Enterprises" und "Zabo" will er auf Vorrat angeschafft haben, benutzt hat er sie angeblich nie für irgendwas. Sie sind seit 2013 geschlossen und lagen - wenn Mauss‘ Aussage stimmt - zum Teil 20 oder mehr Jahre einfach brach. Ein teurer Vorrat, bei zum Teil rund 1000 US-Dollar Jahresgebühr. Im Jahr 2011 begleicht Mauss laut den Unterlagen eine Sammelrechnung für den Unterhalt seiner Firmen: 23.725 Euro sind fällig.
Erst 2014 neue Gesellschaft gegründet
Da ist die Gesellschaft "Anysberg International" noch nicht mit eingerechnet. Die hat Mauss gerade erst gründen lassen, so legen es die "PanamaPapers" nahe. Für sie findet sich eine Gründungsurkunde, datiert auf den 10. Dezember 2014. Die Gesellschaft hat laut den vorliegenden Unterlagen genau einen Gesellschafter: Claus Möllner. Dieser Claus Möllner hielt 2014 über die Firma ein Portfolio im Wert von rund einer Million US-Dollar bei der "Multibank" in Panama. So zumindest vermerkt es die "Mossack Fonseca" in den Unterlagen. Werner Mauss sagt, ihm gehöre die Firma nicht und er wisse nichts von einer Million. Der Claus Möllner, dem die Firma gehört, verwendete jedoch als Anschrift die Adresse von Mauss‘ "Safe House" in Panama. Und zur Verifikation offenbar einen Pass mit Mauss‘ Foto darauf.
Auch über diesen Pass spricht Mauss nicht gern. Der Grund dafür wird klar, wenn man seine Legende mit dem Dokument abgleicht. Seit 2000 hat er nach eigener Aussage nicht mehr für deutsche Dienste gearbeitet. Der Pass wurde ausgestellt im Mai 2014. Von wem, das kann er nicht sagen. Er kann noch nicht einmal sagen, dass es sein Pass ist - "nicht befugt". Er kann allerdings, wenn man lange bohrt, etwas über ausländische Dienste erzählen, so ganz allgemein, die einem helfen, wenn man irgendwo in der Welt unterwegs ist. Mauss sagt es nicht so, er wählt seine Worte mit Bedacht, aber es ist klar, was er suggerieren will: Wenn diese Dienste das wollen, dann sorgen sie dafür, dass in einem Städtchen im Hunsrück ein gültiger Reisepass mit dem Foto von Werner Mauss und dem Namen einer seiner Tarn-Identitäten ausgestellt wird.
Ohne das Wissen der deutschen Behörden wäre das ein handfester Skandal. Es gibt Vorgaben dazu, wer in Rheinland-Pfalz einen Tarn-Ausweis bekommen kann: etwa Menschen, die im Zeugenschutzprogramm sind oder hauptamtliche Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz. Für den Verfassungsschutz arbeitet Mauss nicht - das ist eine der wenigen Fragen, die er unumwunden und klar beantwortet. In einem Zeugenschutzprogramm ist er auch nicht, er benutzt seinen richtigen Namen schließlich weiter. Das Innenministerium in Mainz wird erst durch eine Anfrage von NDR, WDR und SZ darauf aufmerksam, dass es diesen Pass gibt, den es eigentlich nicht geben kann. Immerhin kann man dort mitteilen, dass der Pass echt ist und im Hunsrück ausgestellt worden ist. Ansonsten gibt es "keinerlei eigene Erkenntnisse".
Pass wurde regulär verlängert
Der falsche Claus Möllner ist mit einer echten Adresse beim Bürgeramt der Gemeinde gemeldet, die auch den Pass beantragt hat. Es ist die Anschrift eines Anwalts, dessen Name sich auch in den "PanamaPapers" im Zusammenhang mit einer von Mauss‘ Firmen findet. Mauss wohnt dort jedoch nicht. Das Bürgeramt erklärt auf Anfrage, man habe den neuen Pass ausgestellt, als Mauss - also Möllner - mit seinem alten Pass gekommen sei. Ein alltäglicher Vorgang. Einen Sperrvermerk, wie er sonst bei verfallenen Tarnidentitäten üblich ist, gab es demnach nicht. Den hätte zum Beispiel das Bundesinnenministerium veranlassen können. Dort mauert man, ein Sprecher lehnte einen Kommentar ab.
Immer wieder gab es Gerüchte über Mauss und die Steuer. Mauss selbst sagt dazu, die seien von seinen Gegnern gestreut worden. Mehrmals, so sagt er, habe man ihn wegen Steuerhinterziehung angezeigt. Und bis heute sei er von keinem Gericht der Welt letztinstanzlich verurteilt worden - auch in anderer Angelegenheit nicht, nicht bloß in Steuerdingen. Auch den Reportern von NDR, WDR und SZ wirft er vor, instrumentalisiert zu sein: Gesteuert von einem Drogenkartell, sonst würde man solche Fragen ja nicht stellen.