Kunsthändler in den "PanamaPapers" Das Millionen-Bild ohne Besitzer
Die "PanamaPapers" zeigen, wie eine Kunsthändler-Familie Briefkastenfirmen nutzte, um Gemälde zu verstecken. Darunter Werke von Picasso, Degas und auch ein Bild, das die Nazis einem jüdischen Sammler entrissen haben - dessen Enkel kämpft um die Rückgabe.
Ein Zufall hat dafür gesorgt, dass sich Philippe Maestracci heute überhaupt für den "Sitzenden Mann mit einem Stock" interessiert. Das Bild von dem italienischen Maler Amadeo Mogliani war Teil der Sammlung des jüdischen Kunstsammlers Oscar Stettiner. Maestracci ist ein Enkel von ihm. 1939 floh Stettiner vor den Nazis aus Paris. Seine Kunst ließ er zurück, darunter auch das Modigliani-Bild. Es wurde von den Nazis beschlagnahmt und später wohl verkauft. Stettiner versuchte 1946 ein Verfahren anzustoßen, um es zurück zu bekommen. Zwei Jahre später starb er. Maestracci hätte das Bild wohl längst vergessen, hätte dessen Namen nicht eine Firma, spezialisiert auf die Rückführung von Raubkunst in französischen Archiven entdeckt. Maestracci beauftrage die Firma, das Bild zurück zu holen. Wie viel Geld die Firma dafür bekommt, sagt sie nicht.
Heute ist das Bild 25 Millionen wert
Heute soll rund 25 Millionen US-Dollar wert sein. Es befindet sich offenbar im Genfer "Freeport", einer Art Hochsicherheits-Lagerhaus das steuerlich wie eine Freihandelszone behandelt wird. Wem es wirklich gehört, darüber ist ein Rechtsstreit entbrannt. Auf der einen Seite steht Maestracci. Wer auf der anderen Seite steht, ist nicht ganz klar. Sicher ist: Gehalten wird das Bild von der Briefkastengesellschaft "International Art Center" mit Sitz in Panama, verwaltet von Mossack Fonseca. Die "International Art Center" hat das Modigliani-Bild, so belegen es Gerichtsunterlagen aus den USA, im Jahr 1996 bei einer Auktion in London für 3,2 Millionen US-Dollar aus einer - nicht weiter bekannten - privaten Sammlung erworben. Zwei Jahre später wurde das Bild in einer Galerie ausgestellt, die dem Sammler David Nahmad zuzuordnen ist.
Nahmad ist eine schillernde Figur in der Kunstszene: Im Libanon geboren, lebt Nahmad mittlerweile in Monaco und betreibt mit seinem Bruder Ezra Nahmad und weiteren Familienmitgliedern einen florierenden Handel mit Kunstwerken. 1996 wurde David Nahmad zudem Weltmeister im Backgammon, Zeitungsberichten zufolge soll er das Spiel heute noch gern um hohe Summen spielen.
Die Galerie, in der das Modigliani-Bild landete, wird in Manhattan von seinem Sohn Helly Nahmad betrieben. "Forbes" schätzte das Vermögen der Familie Nahmad auf mehr als drei Milliarden US-Dollar.
Ansprüche scheitern vor Gericht
Man könnte also meinen, dass das Modigliani-Gemälde einem Mitglied der Familie Nahmad gehören muss. Tut es aber nach deren Aussage nicht. Mehrere Familienmitglieder haben vor unterschiedlichen Gerichten in den USA ausgesagt, dass ihnen das Bild nicht gehöre - es sei schließlich Besitz der Briefkastenfirma "International Arts Center". Und wem die Firma gehöre, das müsse man wohl in Panama erfragen. Gerichtsunterlagen unterschrieben stets nur Scheindirektoren von "Mossack Fonseca". An der Frage, wem diese Firma wirklich gehört, scheiterten bislang alle Versuche von Maestracci, das Bild zurück zu bekommen. Zuletzt entschied im September ein Richter in New York, dass Maestraccis Prozess nicht fortgeführt werden könne, weil entsprechende Unterlagen an die Panama-Firma nicht zugestellt wurden. Nun könnten neue Erkenntnisse, aus den "PanamaPapers", die Journalisten von NDR, WDR und SZ und des Internationalen Konsortiums für Investigative Journalisten (ICIJ) auswerten konnten, den Fall verändern.
Das Familienoberhaupt David Nahmad. Die "PanamaPapers" zeigen, dass er die Aktien der Firma namentlich hielt.
Die Unterlagen belegen, dass die "International Arts Center" seit mehr als 20 Jahren von Mitgliedern der Familie Nahmad kontrolliert wird. Sie ist demnach offenbar ein wichtiger Teil im Kunstgeschäft der Familie. Jetzt zeigt sich auch: Familienoberhaupt David Nahmad war bis Januar 2014 alleiniger Gesellschafter der Briefkastenfirma. Guiseppe Nahmad, mittlerweile verstorbener Bruder von David und Ezra Nahmad, gründete die Gesellschaft den Unterlagen zufolge 1995 mit Hilfe der Schweizer Bank UBS.
Weitere Nahmad-Firma taucht auf
Die "International Art Center" ist nicht die einzige Nahmad-Firma in den Daten. Guiseppe Nahmad hat demnach auch noch die Briefkastenfirma "Swinton International" kontrolliert, die 1992 auf den Britischen Jungferninseln gegründet wurde. 1995 erhielt David Nahmad eine Vollmacht, um den Verkauf von fünf Gemälden abzuwickeln, die von der "Swinton International" gehalten wurden: Ein Bild von Picasso, ein Degas, zwei Gemälde von Henri Matisse und eines von Raoul Dufy. Einige davon tauchten später in Katalogen auf, angeblich aus "Privatsammlung".
Die Unterlagen zeigen, wie die Nahmads ihre Offshore-Konstruktionen perfekt an ihr Geschäft anpassten: Nach außen hin repräsentative Galerien in den USA und London, intern Firmen in Steueroasen und anonyme Konten bei der UBS und der Citibank, verfügbar je nach Bedarf für unterschiedliche Mitglieder der Familie. Die "International Art Center" wurde demnach zunächst über Inhaberaktien gehalten, auf denen kein Name vermerkt ist - die Nahmads konnten diese Anteilsscheine also theoretisch von Bruder zu Bruder weitergeben, damit wechselte auch der Besitzer der Firma. Ab 2001 war Guiseppe Nahmad dann als Eigentümer registriert, später wurden die Aktien auf David Nahmad überschrieben.
Anwalt sagt Besitzverhältnisse seien "irrelevant"
Als das ICIJ den Anwalt der Familie Nahmad mit den Dokumenten konfrontiert, sagt dieser, es sei "irrelevant" wem die Firma gehört. Entscheidend sei, dass der Kläger vor Gericht bislang nicht ausreichend darlegen konnte, dass das Bild aus Oscar Stettiners Besitz gestohlen worden ist und dass der Erbe entsprechende Ansprüche nachweisen könne. Vor Gericht spielte die die Prüfung der eigentlichen Ansprüche von Maestracci bislang tatsächlich nahezu keine Rolle - vor allem deshalb, weil die Besitzansprüche nicht zu klären waren.
Bereits 2013 hatte Helly Nahmad, Sohn des Patriarchen David Nahmad, die Familie in Schwierigkeiten gebracht. Ein Gericht in New York verurteilte ihn zu einer Haftstrafe, weil er einen Glücksspiel-Ring geführt haben soll, über den auch Geld gewaschen wurde. Im Zusammenhang mit diesem Prozess wurden Telefonate abgehört, aus denen hervor geht, dass Nahmad den Kunsthandel der Familie zur Verschleierung von Überweisungen angeboten hat. "Manchmal brauchen Banken eine Begründung für eine Überweisung", soll er demnach gesagt haben. "Dann sagst du einfach, ich hab einen Picasso oder so gekauft, weißt du?" Ob über die Mossack-Fonseca-Firmen von Modigliani Geld gewaschen worden ist, ist aus den Unterlagen nicht ersichtlich. Der Kläger Maestracci möchte sich öffentlich nicht äußern, unter anderem wegen laufender Verfahren.
Mit der Geschichte beschäftigt sich auch das ARD-Kulturmagazin "titel thesen temperamente".