Unternehmer und Politiker Die Deutschen in dem Leak
Die "Paradise Papers" offenbaren, wie Politiker, Superreiche und Sportstars ihr Geld in Steueroasen parken. Auch zahlreiche Deutsche tauchen in den Daten auf.
Die Enthüllungen der "Paradise Papers" betreffen auch zahlreiche Deutsche. In der Kundendatenbank von Appleby, dem Anwalts- und Finanzdienstleister, aus dessen Inneren ein großer Teil der Daten stammt, finden sich mehr als 1000 Einträge mit Bezügen nach Deutschland. Auch zahlreiche Kopien von deutschen Pässen und Personalausweisen stecken in dem Datensatz.
In den Unterlagen sind Hinweise auf Geschäftsvorgänge, die wenig anrüchig klingen. Banken und Reedereien aus Deutschland wenden sich etwa an die Kanzlei Appleby, weil sie eine rechtliche Beratung beim Verkauf von Schiffen oder Immobilien suchen. Andere Treffer kommen zustande, weil deutsche Privatpersonen nach Bermuda oder auf die Cayman Islands gezogen sind und dort ein Restaurant oder eine Reiseagentur gründen wollen. Es gibt aber auch viele deutsche Fälle, die Fragen aufwerfen.
Unternehmerfamilie Engelhorn in den Daten
Dazu gehört die Unternehmerfamilie Engelhorn. Curt Engelhorn verkaufte einst den Pharma-Konzern Boehringer-Mannheim für etwa 19 Milliarden Mark. Vor einigen Jahren sorgte die Familie für Schlagzeilen, weil die beiden jüngsten Töchter hohe Zuwendungen von ihrem Vater erhalten und diese nicht oder nur unzureichend versteuert haben sollen. Ermittler schätzten den Steuerschaden auf rund 440 Millionen Euro. Es handelt sich um eines der größten Steuerverfahren der deutschen Geschichte. Engelhorns Anwälte verständigten sich mit der bayerischen Finanzverwaltung letztlich auf eine Nachzahlung in Höhe von 145 Millionen Euro und ein Bußgeld.
Curt Engelhorn (links) und Ehefrau Heidemarie (Archivbild 2009)
Die Daten zeigen nun, dass der Engelhorn Familie rund ein Dutzend weiterer, den Ermittlern offenbar bislang unbekannte Trusts und Firmen zuzuordnen sind. Darunter auch ein Trust, bei dem die beiden Töchter begünstigt sind. Zahlungsflüsse sieht man nicht, dennoch nährt das den Verdacht: Die Steuerschuld könnte höher sein als die gezahlten 145 Millionen Euro. Die Töchter ließen alle Anfragen dazu unbeantwortet.
Ex-Abgeordneter Leibrecht besitzt Briefkastenfirma
Auch deutsche Politiker tauchen in den "Paradise Papers" auf. Beispielsweise der langjährige Bundestagsabgeordnete Harald Leibrecht (FDP). Ausweislich der Daten ist Leibrecht unter anderem Mitbesitzer einer Briefkastenfirma, die ein Schloss südlich von London hält. Diese Beteiligung hat Leibrecht während seiner elfjährigen Zeit als Abgeordneter nicht öffentlich gemacht. Auf Nachfrage erklärte er, den Steuerbehörden sei die Konstruktion bekannt. Da er lediglich 25 Prozent an der Firma halte, habe er auch nicht gegen Offenlegungspflichten verstoßen.
Wickham Court ist heute eine Privatschule.
Gerhard Schröder mit Offshore-Posten
Mit Hilfe des Datensatzes lässt sich in einigen Fällen auch bereits berichteten Sachverhalten eine Facette hinzufügen. So etwa beim ehemaligen SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder: Der arbeitete 2009 nach seiner Amtszeit als Vermittler zwischen dem russischen Energiekonzern TNK und der britischen BP, die gemeinsam ein großes Öl-Projekt in Russland realisierten. Für das Joint Venture gründeten die beiden Konzerne eine Briefkastenfirma auf den Britischen Jungferninseln. Schröder hatte in dieser Gesellschaft eine Leitungsposition inne. Der ehemalige Bundeskanzler verdiente laut Medienberichten rund 200.000 Euro dafür, verließ den Posten aber bereits nach zwei Jahren wegen eines Streits.
Die Paradise Papers zeigen nun, dass eine Anwaltskanzlei offenbar im Auftrag Schröders bei Appleby um Beratung gebeten hatte. "Kunden von mir suchen diskrete Beratung im Zusammenhang mit der Vorgehensweise bei einer Firma nach Recht der Britischen Jungfernsinseln", schrieb ein Anwalt im Jahr 2011 an Appleby. In einer weiteren E-Mail wird Gerhard Schröder als einer der Kunden genannt. Die Unterlagen legen nahe, dass der Beratervertrag letztlich wegen eines Interessenskonflikts bei Appleby nicht zustande kam. Die Anwälte berieten damals eine der beteiligten Firmen in anderer Sache.
NDR und SZ schickten Schröder eine Reihe von Fragen, unter anderem, ob er es für problematisch halte, als ehemaliger Bundeskanzler eine Leitungsfunktion bei einer Briefkastenfirma auf den Britischen Jungferninseln anzunehmen. Eine Antwort blieb aus. Der NDR hatte damals ausführlich über Schröders Arbeit für das russisch-britische Joint Venture berichtet. Unter anderem war der Ex-Kanzler laut einer Firmenbroschüre für den Umweltschutz in dem Projekt verantwortlich. Recherchen des NDR deckten damals auf, dass TNK-BP damals in Sibirien Umweltstandards missachteten. Schröder lehnte ein Gespräch damals ab.
Mehr als ein Jahr haben 381 Journalistinnen und Journalisten von 96 Medienpartnern aus 67 Ländern den Datensatz der sogenannten "Paradise Papers" ausgewertet. Darin haben sie zahlreiche Geschichten entdeckt. Die Daten waren der "Süddeutschen Zeitung" zugespielt worden. Die Koordination der Recherche übernahm das Internationale Konsortium für Investigative Journalisten (ICIJ). Insgesamt umfassen die "Paradise Papers" rund 13,4 Millionen einzelne Dateien.
Klaus Mangold mit russischem Oligarchen verbunden
Und auch der der deutsche Manager und Wirtschaftsberater Klaus Mangold taucht in den Daten auf. Aufgrund seiner hervorragenden Kontakte in den Osten ist Mangold, der in mehreren Aufsichtsräten internationaler Unternehmen sitzt, als „Mister Russland“ bekannt geworden. Die Paradise Papers belegen nun, dass Mangold auch enge wirtschaftliche Kontakte zum russische Oligarchen Boris Berezovsky unterhalten hat. Berezovsky beging 2013 Suizid.
Klaus Mangold (rechts) begrüßt den damaligen russischen Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew (Archivbild 2014).
Ausweislich der Unterlagen war Mangold als Rechtsbeistand in den Verkauf der Superjacht "Darius" eingebunden, die Berezovsky 2008 an die Milliardärs-Familie Al-Futaim für 280 Millionen Dollar verkauft hat. Für das Geschäft stellte die Deutsche Bank ein Verrechnungskonto bereit, obwohl gegen Berezovsky ein brasilianischer Haftbefehl offen war. Der wurde kurz darauf fallen gelassen.
Den Unterlagen zufolge war Mangold außerdem in den Jahren 2003 und 2010 zwischenzeitlich Begünstigter einer Briefkastenfirma auf der Isle of Man, die offenbar Berezovsky gehörte und die einen Privatjet erwarb und einige Jahre später wieder veräußerte.
Flugzeugdeals über die Isle of Man sind im Zuge der "Paradise Papers" in die Kritik geraten, weil sich damit die Einfuhrumsatzsteuer in der EU umgehen lässt. Ob dies auch im Falle von Berezovskys Firma der Fall war, ist aus den Daten nicht ersichtlich. Auf Nachfrage erklärte Klaus Mangold, ihm sei „nicht erinnerlich“, Begünstigter der Firma gewesen zu sein. Mit dem Verkauf der Jacht habe er nichts zu tun gehabt.
Glücksspiel-König Gauselmann verdient an illegalem Online-Spiel
Der deutsche Unternehmer Paul Gauselmann hat sein Geld mit Spielautomaten gemacht. Seine Firma gehört heute zu den erfolgreichsten Unternehmen im Glücksspiel-Geschäft. In den "Paradise Papers" findet sich der Name seiner Firma, die über die Isle of Man im Online-Glücksspielmarkt mitmischt. Die Geschäfte mit Online-Casinos gelten unter Geldwäsche-Experten als hochproblematisch. Außerdem sind sie in Deutschland illegal. Gauselmann verdient über ein Lizenz-Konzept mit Hilfe einer Firma auf der Isle of Man dennoch daran.
Die Gauselmann-Gruppe bestreitet, dass das Verbot für Online-Casinos in Deutschland anwendbar sei. Man arbeite daher auch nicht mit illegal agierenden Anbietern zusammen.
Deutsche Bank führte Fonds für Gaddafi-Regime
Auch die Deutsche Bank erneut taucht in den "Paradise Papers" auf. Unter anderem, weil sie über Jahre hinweg Konten mehrerer Investments-Fonds der Libyan Investment Authority gehalten hat. Auch, nachdem die EU bereits Sanktionen gegen das Gaddafi-Regime verhängt hatte. Banken sind in diesem Fall in einer schwierigen Lage, da sie sanktionierte Gelder behalten müssen, selbst wenn sie die Kunden gerne loswerden würden. Ausweislich der "Paradise Papers" wuchsen die Barmittel der fraglichen Fonds dabei immer weiter an: auf über 45 Millionen Euro. Von der Deutschen Bank heißt es dazu auf Nachfrage, man äußere sich nicht zu "einzelnen Beziehungen mit Kunden". Gleiches gelte für den Schiffsverkauf des Oligarchen Berezovsky.