Polens Justizreform Diesmal mischt sich der EuGH nicht ein
Der EuGH hat erneut die polnische Justizreform geprüft. Diesmal mischt er sich nicht direkt ein, macht aber klar: Nur weil sich ein polnischer Richter an das oberste EU-Gericht wendet, darf er nicht bestraft werden.
Es ist die dritte Entscheidung in Sachen polnischer Justizreform. Im Sommer hatten die obersten EU-Richter entschieden: Die Zwangspensionierung von Richtern am Obersten Gericht verstößt gegen EU-Recht.
Dann folgte im November das Urteil zu den Richtern an den regulären Instanzgerichten. Auch da hatte die polnische Regierungspartei das Rentenalter abgesenkt. Hier sagte der EuGH ebenfalls: Das geht nicht, für Männer und Frauen darf es nicht unterschiedliche Rentenalter geben. Und dass der Justizminister nach Belieben - ohne von irgendwelchen Gerichten kontrolliert zu werden - bei einzelnen die Rente rausschieben dürfe, das sei Willkür.
Sorge vor steigendem politischen Druck auf Richter
Jetzt ging es um die Frage, ob und wann gegen Richter in Polen Disziplinarverfahren eingeleitet werden dürfen. Denn die nationalkonservative PiS-Regierung hatte 2017 neue Möglichkeiten für den Justizminister eingeführt, Disziplinarverfahren gegen Richter einzuleiten und zu beeinflussen. Die Sorge vieler polnischer Richter: Dass er damit Mittel in die Hand bekommen hatte, um missliebige Kolleginnen und Kollegen zu entfernen. Weitere Gefahr für die polnische Rechtsstaatlichkeit: Richter könnten damit zu vorauseilendem Gehorsam gedrängt werden.
Konkret geht es in den Rechtsstreitigkeiten, die dem EuGH vorgelegt wurden, allerdings noch nicht darum, dass tatsächlich ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde. Die beteiligten Richter haben nur Angst, dass es dazu kommt, wenn sie die Fälle gegen die polnische Regierung entscheiden. In einem Fall könnten die polnischen Steuerbehörden Geld verlieren, in einem anderen würde die nach den Gesetzen eigentlich übliche Strafmilderung für drei Verbrecher vielleicht auf Ungnade stoßen.
EuGH lehnt inhaltliche Befassung diesmal ab
Die obersten EU-Richter in Luxemburg halten sich jedoch zurück. Sie sagen, bei dem Steuerfall und in dem Strafverfahren mit den drei Verbrechern gehe es überhaupt nicht um EU-Recht. Also könnten sie auch nichts dazu sagen.
Der EuGH sei dazu da, Unklarheiten in den europäischen Gesetzen auszulegen. Hier gebe es aber gar nichts, was auszulegen wäre. Die Entscheidung sieht also erst einmal so aus, als würde der EuGH die Bedrohung der polnischen Richter ausblenden.
Die Justizreform der polnischen PiS-Regierung - hier das Oberste Gericht in Warschau - ruft seit Monaten auch in Polen große Kritik hervor.
Aber gegen Ende kommen die Luxemburger Richter dann doch ihren polnischen Kollegen etwas zu Hilfe: Sie erinnern daran, dass es für die polnischen Richter immer möglich sein muss, sich an den EuGH zu wenden. Es dürfe nicht sein, dass gegen sie Disziplinarverfahren eingeleitet werden, weil sie den obersten Gerichtshof der EU angerufen haben. Sonst könnte das Zusammenspiel in der EU nicht mehr funktionieren. Und eines sei auch klar: Die Unabhängigkeit der Richter müsse garantiert werden.
Weitere Entscheidung des EuGH steht noch aus
Damit ist aber das letzte Wort in Sachen Richterdisziplinierung noch nicht gesprochen. Die EU-Kommission hat vor dem EuGH beantragt, die umstrittene polnische Disziplinarkammer zu überprüfen, die jeden Richter und Staatsanwalt entlassen kann. In diesem Eilverfahren gab es Anfang März in Luxemburg eine mündliche Anhörung. Eine Entscheidung ist bald zu erwarten.