Trotz EuGH-Beschluss Polen will Braunkohle-Abbau nicht stoppen
Polen will die Braunkohleförderung Tagebau Turow nicht stoppen - obwohl der Europäische Gerichtshof dies zuvor angeordnet hatte. Die Regierung sieht die Energiesicherheit gefährdet und übt scharfe Kritik an Deutschland.
Trotz einer einstweiligen Anordnung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) will Polen den Abbau von Braunkohle im Tagebau Turow nicht beenden. Mit der Anlage seien vier bis sieben Prozent der Energieerzeugung in Polen verbunden, hieß es in einer Erklärung von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki.
Von dem Braunkohle-Tagebau hänge unter anderem der Betrieb von Schulen, Kliniken und Unternehmen ab. "Die polnische Regierung wird keine Schritte unternehmen, welche die Energiesicherheit Polens treffen könnten", so Morawiecki.
Die einstweilige Anordnung des EuGH geht auf eine Klage Tschechiens gegen das Nachbarland zurück. Tschechien hatte bemängelt, dass die Lizenz für den Tagebau ohne erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfungen verlängert worden sei. Die Regierung in Prag befürchtet außerdem, dass der Grundwasserspiegel sinkt. Und schließlich beschweren sich Bewohner der angrenzenden tschechischen Grenzregion über Belästigungen durch Lärm und Staub.
Gericht bestätigt Tschechiens Umweltsorgen
In dem Beschluss des EuGH heißt es, die Argumente der tschechischen Seite erschienen begründet. Die Fortführung des Tagebaus könne sich mit hoher Wahrscheinlichkeit negativ auf den Grundwasserspiegel in Tschechien auswirken. Polen habe zudem eine Behauptung nicht ausreichend untermauert, wonach ein einstweiliger Stopp die Rohstoffversorgung des angrenzenden Kraftwerks in Turow gefährde. Die Betreiber hätten Möglichkeiten, den Ausfall auszugleichen.
Polen wies den Beschluss umgehend zurück und übte dabei auch an Deutschland Kritik. "Deutschland macht eine neue Braunkohlegrube auf, und Polen soll von einem Tag auf den anderen eine schließen, weil der EuGH es so befiehlt", schrieb Vize-Justizminister Sebastian Kaleta auf Twitter. Polen solle um sein Recht gebracht werden, darüber zu entscheiden, was im Land geschieht.
Kritik vom Betreiber
Kritik an der Anordnung des EuGH kam auch vom polnischen Konzern PGE, der sowohl den Tagebau als auch das Kraftwerk in Turow betreibt. Es handele sich um "gewöhnliche Erpressung", hieß es in einem Statement des Managements. Ein Abbau-Stopp im Tagebau werde das polnische und europäische Energieversorgungssystem destabilisieren und könne zur Schließung der gesamten Anlage führen. Zehntausende Einwohner der Region würden über Nacht ihre Einkommensgrundlage verlieren.
Braunkohle und Steinkohle dominieren nach wie vor den polnischen Strommix, obwohl die Regierung den Ausbau erneuerbarer Energien plant, um die Klimaziele der EU zu erreichen. Erst kürzlich hatte die polnische Regierung allerdings die Zulassung für den Braunkohletagebau in Turow bis 2044 verlängert. Dies stieß auch im benachbarten Sachsen auf Kritik.