Pannen im interreligiösen Dialog Der Glaube der Anderen
Er traf den Dalai Lama, betete in der Blauen Moschee und sprach in Jad Vaschem. Papst Benedikt XVI. setzte in seinem Pontifikat auf den Dialog mit anderen Religionen. Doch seine Aussagen sorgten auch für Empörung und Enttäuschung.
Von Antje Dechert, BR
"Unter diesen besonderen Umständen möchte ich noch einmal meine ganze Wertschätzung und den tief empfunden Respekt vor muslimischen Gläubigen zum Ausdruck bringen", sagte Benedikt XVI. 2006 bei einem Treffen mit muslimischen Geistlichen. Es war, genauer gesagt, ein Krisentreffen.
Denn kurz zuvor hatte der katholische Pontifex weite Teile der islamischen Welt gegen sich aufgebracht - mit einem Vortrag an der Universität Regensburg über Gewalt in den Religionen.
Regensburger Rede empörte Muslime
Darin zitierte Benedikt den mittelalterlichen byzantinischen Kaiser, Manuel II., wie folgt: "Er sagt: 'Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat? Und da wirst Du nur Schlechtes und Inhumanes finden, wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten.'"
Warum musste der Papst das Gewaltpotenzial der Religionen gerade am Beispiel des Islam erörtern? Das blieb für viele unverständlich. Immerhin - mit einer Dialog-Offensive bei seinem folgenden Türkeibesuch glättete Benedikt die Wogen wieder: Er betete in der Blauen Moschee in Istanbul und richtete sich dabei nach Mekka aus. Eine Geste, die viele Muslime versöhnte.
Krisenmanager in eigener Sache
Das Auf und Ab im Dialog mit anderen Religionen und Konfessionen zieht sich durch das gesamte Pontifikat des deutschen Papstes. Die Regensburger Rede war nur der Auftakt. Danach häuften sich die interreligiösen Pannen, nach denen der Papst als sein eigener Krisenmanager auftreten musste.
Denn so sehr Benedikt das Gespräch mit anderen Glaubensgemeinschaften suchte, so sehr wollte er auch das eigene katholische Profil schärfen. Gemischt deshalb auch die Bilanz in Sachen Ökumene. "Wir haben gute Erfahrungen mit dem Papst gemacht, etwa bei der Erarbeitung der Erklärung zur Rechtfertigungslehre", sagte der Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider. "Wir haben gute Erfahrungen mit ihm gemacht in Erfurt, in seiner Erklärung zu Martin Luther. Er ist der erste Papst, der überhaupt eine Lutherstätte aufgesucht hat." Das seien alles sehr schöne Zeichen gewesen. "Wir haben allerdings auch schwierige Erfahrungen mit ihm gemacht, wo er abgegrenzt hat", fügte Schneider hinzu.
Konfrontation mit der evangelischen Kirche
Zum Beispiel 2007: Da billigte Benedikt erneut ein Dokument, das der evangelischen Kirche abspricht, Kirche "im eigentlichen Sinn" zu sein. Und das ausgerechnet von einem Papst aus dem Heimatland der Reformation.
Von einem Stillstand in der Ökumene will der ehemalige bayerische Landesbischof Johannes Friedrich trotzdem nicht sprechen. "Anders als viele Medien und meine Kollegen meine ich, dass er von seinem ökumenischen Denken her sehr ökumenisch gesonnen ist. Man hat in der Umsetzung davon - als Papst - wenig gespürt, das will ich gerne zugeben", sagte Friedrich. "Ich glaube einfach, dass das Umfeld im Vatikan nicht so gestaltet ist, dass ein 80-jähriger Mann da große Chancen hat, etwas zu ändern - auch wenn er Papst ist."
Karfreitagsfürbitte ist für Juden "eine Zerreißprobe"
Aber auch Benedikt XVI. selbst liebäugelte mit Konservativen und Traditionalisten, ging auf Schmusekurs mit den schismatischen Piusbrüdern. Um diesen die Rückkehr in den Schoß der katholischen Kirche zu erleichtern, wertete er den lateinischen Messritus auf. Inbegriffen: eine Neuformulierung der alten Karfreitagsfürbitte, in der Christen wieder für die Erleuchtung der Juden beten können.
"Das ist eine Zerreißprobe", sagte der Berliner Rabbiner Walter Homolka, "weil ich auch davon ausgehe, dass diese Wendungen nicht zurückgenommen werden. Und ich sage Ihnen schon, Juden schauen auf diesen Karfreitag als einen schwarzen Tag in den Beziehungen zur katholischen Kirche."
Umgang mit Holocaustleugner Williamson führt zu Eklat
Doch damit nicht genug: Ende Januar 2009 hob Benedikt die Exkommunikation gegen die vier illegal geweihten Bischöfe der Pius-Bruderschaft auf. Darunter ist der Holocaustleugner Richard Williamson - ein Eklat. Der Riss in den Beziehungen zum Judentum ist tief und nur schwer zu kitten. Eine Hypothek für Benedikts Israelreise wenig später, im Mai 2009.
Bei seinem Besuch in der Holocaust-Gedenkstätte Jad Vashem in Jerusalem wirkt der Papst verunsichert, schüchtern. Erst kurz vor seiner Abreise am Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv findet er die richtigen Worte. "Dieses entsetzliche Kapitel der Geschichte darf nie vergessen oder geleugnet werden", erklärte er. "Im Gegenteil: Diese furchtbare Erinnerung soll uns in der Entschiedenheit stärken, enger zusammenzurücken, als Zweige des gleichen Olivenbaums, die von den gleichen Wurzeln genährt werden und in brüderlicher Liebe geeint sind."
Betonung auf guten Beziehungen zum Judentum
Da wurde wieder etwas von dem spürbar, was Benedikt zu Beginn seines Pontifikats so sehr betonte: wie wichtig ihm die guten Beziehung zu Judentum sind. "Verehrte jüdische Autoritäten, liebe Damen und Herren, Schalom lechém. Wir müssen uns noch viel mehr und viel besser gegenseitig kennenlernen", sagte er damals. "Deshalb will ich ausdrücklich ermutigen zu einem aufrichtigen und vertrauensvollen Dialog zwischen Juden und Christen. Nur so wird es möglich sein, zu einer beiderseits akzeptierten Interpretation noch strittiger historischer Fragen zu kommen und Fortschritte in der theologischen Einschätzung der Beziehungen zwischen Judentum und Christentum zu machen."
Ein Papst, der die Gemeinsamkeiten der Religionen betonte, der aber auch selbstbewusst auf Unterschiede beharrte. Ein Papst, der vereinen wollte und trotzdem spaltete. Das Pontifikat Benedikts XVI. war ein Drahtseilakt zwischen Dialog und Dogma.