Presseschau zum Griechenland-Kompromiss Nur verschobene Probleme?
Die europäische Presse bewertet die Einigung der Euro-Gruppe mit Griechenland im Grundsatz positiv. Doch die Probleme seien damit aber noch lange nicht überwunden, lautet das Fazit vieler Kommentatoren. Für die Tsipras-Regierung dürften die kommenden Monate eine Herausforderung werden.
"Einigung in einem erstickenden Rahmen", - so titelt die konservative griechische Zeitung "Kathimerini". Weiter kommentiert das Blatt: "Die Regierung ist in der Realität angekommen und hat das getan, was sie tun musste, damit das Land nicht pleitegeht".
Das Athener Boulevardblatt "Ethnos" titelt: "Aufatmen bis Juni nach dem Kompromiss mit der Eurogruppe." Die Geheimnisse des neuen Abkommens: Wahlversprechen werden eingefroren - jede Maßnahme müsse von den Geldgebern geprüft und genehmigt werden, berichtet das Blatt weiter.
Die spanische linksliberale Zeitung "El País" sieht in der Einigung einen Ritterschlag für den Euro: "Das ist eine wunderbare Nachricht, vor allem wegen der unmittelbaren Wirkungen. (...) Ein Bruch der Eurozone würde die Unumkehrbarkeit der gemeinsamen Währung und damit auch die Stabilität jedes einzelnen der Mitglieder infrage stellen. In diesem Sinne ist das Abkommen in erster Linie ein Ritterschlag für die Gültigkeit des Euro als politisches Projekt."
Die liberale dänische Tageszeitung "Politiken" (Kopenhagen) verweist auf die nur verschobenen Probleme. "Aber auch wenn die intensiven Verhandlungen über die Rettung Griechenlands Wochen gedauert haben und es um viele, viele Milliarden Euro ging, hat man die eigentlichen Probleme nicht gelöst. Griechenland ist immer noch ein Land, in dem die Wirtschaft nicht funktioniert.
"Die Presse" aus Wien verweist ebenfalls auf die verbleibenden Unsicherheiten. "Tsipras mag das daheim verkaufen, wie er möchte: Der Kompromiss von Brüssel war erst die halbe Miete. Ob das Land aus der Währungsunion ausziehen muss, wird sich in ein paar Monaten erneut entscheiden.
Die konservative tschechische Zeitung "Lidove noviny" sieht den griechischen Regierungschef Alexis Tsipras in der Falle. "Die Griechen hatten bisher ihre grundsätzliche Bereitschaft zum Schuldendienst erklärt, aber weiteren Druck aus dem Ausland zu härteren Sparmaßnahmen abgelehnt. Doch das Kabinett von Alexis Tsipras sitzt in der Falle, weil immer mehr Griechen in den letzten Tagen Geld bei ihren Banken abgehoben haben."
Die linksliberale slowakische Zeitung "Pravda" sieht die griechische Regierung vor einer Zerreißprobe. "Seit den Wahlen, die Syriza gewonnen hat, ist noch nicht einmal ein Monat vergangen, und die griechische Regierung zieht sich von ihren Grundsatzpositionen zurück. (...) Die griechischen Politiker werden jetzt die schwere Aufgabe haben, zu Hause ihr Gesicht zu wahren und trotzdem mit der EU eine Einigung zu finden."
"Äußerst schmerzhaft" für Athen
Die Einigung sei bittere Medizin für die Griechen, aber wichtig für die Eurogruppe, meint die niederländische Zeitung "De Telegraaf". Die eiserne Haltung der Europartner "war für die neue griechische Regierung äußerst schmerzhaft, denn sie war mit dem Wahlversprechen an die Macht gekommen, diese Auflagen abzuschwächen. Griechenlands Regierung mag es bedauern, dass sie die Segel streichen musste, aber für die Disziplin innerhalb der Eurozone ist das gut."
Der "Südkurier" aus Konstanz rät den Griechen zu Realismus. "Mit maximalen Forderungen und kecken Sprüchen reisten die Unterhändler aus Griechenland nach Brüssel, um ein Ende des Spardiktats durchzusetzen. Am Ende müssen sie nun doch den Realitäten ins Auge sehen."
"Warum nicht gleich", fragt die "Thüringer Allgemeine" aus Erfurt im Hinblick auf die für Montag vereinbarte Vorlage der griechischen Reformvorhaben. "Die Defizite in Griechenland liegen seit langem auf der Hand: Die Steuerverwaltung ist löchrig wie Schweizer Käse, die Korruption blüht, vielen Firmen mangelt es an Wettbewerbsfähigkeit. Die Pläne der Regierung, den Staatsdienst wieder aufzublähen und Löhne und Renten zu erhöhen, sind das falsche Rezept."
(Quelle: dpa)