Neuwahl in Großbritannien Wenigstens eine Entscheidung
Das britische Parlament hat den Weg für Neuwahlen im Dezember freigemacht - und Europa ist erleichtert. Nicht weil das mit dem Brexit jetzt wirklich klar wäre. Aber wenigstens kommt Bewegung in die Sache.
Auch mit Neuwahlen, auch mit dem neuen Kompromiss zum Austrittsvertrag und auch mit der nun begründeten Hoffnung, dass es vom britischen Unterhaus schließlich Zustimmung geben wird zu diesem Vertrag - die Gefahr eines harten Brexit hält EU-Chefunterhändler Michel Barnier nach wie vor nicht für gebannt. Bis zur endgültigen Ratifizierung sei ein solches Szenario immer noch denkbar, sagte Barnier vor dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss in Brüssel. Allerdings: Auch danach könne niemand einen harten Brexit vollständig ausschließen.
"Dies könnte passieren, wenn wir den Vertrag zwar bis zum 31. Januar ratifiziert haben, wir es aber danach nicht schaffen sollten, unseren künftigen Beziehungen bis Ende 2020 endgültig zu regeln."
So bleibt das Szenario eines harten Brexit Barnier zufolge immer noch real. Daher müsse man sich nach wie vor auch darauf vorbereiten.
EU-Chefunterhändler Barnier hält die Gefahr eines harten Brexit nicht für gebannt.
Trotzdem gibt man sich in Brüssel ganz gelassen. Die Entscheidung des britischen Unterhauses für Neuwahl am 12. Dezember wird natürlich als rein britische Angelegenheit betrachtet. Und für die EU ist die Sache ohnehin klar: Der zuletzt nachverhandelte Austrittsvertrag steht, daran wird es nun definitiv nichts mehr zu rütteln oder aufzuschnüren geben. Genauso steht die Verlängerung der Austrittsfrist für Großbritannien bis zum 31. Januar. Was das Vereinigte Königreich nun daraus macht, ist allein Sache des Vereinigten Königreichs, so immer wieder der offizielle Duktus.
Und doch verbinden sich bei manchen EU-Parlamentariern durchaus große Hoffnungen damit. Jens Geier von der SPD formuliert es so: "Es ist zunächst mal ein Zeichen dafür, dass das Unterhaus jetzt auch endlich eine Entscheidung anstrebt", sagt er. "Ob das am Ende eine gute Entscheidung ist, das hängt am Ende für jemanden wie mich, der natürlich für einen Verbleib Großbritanniens in der EU ist, vom Ergebnis ab."
Showdown zum Brexit
Die Neuwahl in Großbritannien dürfte also tatsächlich das einleiten, was manche den Showdown zum Brexit nennen. Die Entscheidung also, ob die Briten der EU wirklich den Rücken kehren, oder doch bleiben - wie es viele in Brüssel immer noch hoffen. Vor allem dürfte das für die zehn Labour-Abgeordneten gelten, die nach wie vor im EU-Parlament sitzen. Einer von ihnen ist der 37-jährige Seb Dance aus dem Londoner Süden:
Es breche ihm das Herz, denn natürlich gehe niemand in die Politik, um zu zu schauen, wie sein eigenes Land sich international lächerlich mache, sagt Dance. Immerhin bekomme jetzt die britische Bevölkerung wieder die Entscheidungshoheit. Und man merkt dem britischen Europapolitiker an, wie sehr er hofft, dass er nicht spätestens Ende Januar Brüssel verlassen muss, sondern bleiben darf. In der Europäischen Union.
Die Entscheidung für Neuwahlen im Vereinigten Königreich begrüßt auch der linke Europaparlamentarier aus Deutschland, Helmut Scholz: "Mit dem klaren Votum für Neuwahlen wird endlich die seit Wochen und Monaten, seit Jahren dauernde Stagnation, wie es weitergehen soll mit der Politik, der Wirtschaft, der Gesellschaft in Großbritannien, aufgebrochen."
Von ungestellten Fragen und strengen Großmüttern
Am Mittag gab der britische EU-Kommissar Julian King eine Pressekonferenz im Brüsseler Berlaymont-Gebäude der EU-Kommission. Zwar ging es dabei um die Sicherheit der europäischen Datennetze vor Terrorangriffen, trotzdem wurde er von den Journalisten nach seiner eigenen Zukunft in der EU befragt. Eine britische Reporterin wollte von ihm wissen, ob die Regierung in London bereits auf ihn zugekommen sei, um ihn zu bitten, als britischer EU-Kommissar weiter zu machen, wenigstens bis Ende Januar. Und ob er sich das vorstellen könne.
"Die Antwort auf den ersten Teil Ihrer Frage ist nein. Und für die Antwort auf den zweiten Teil möchte ich sagen: Meine Großmutter hat mir beigebracht, niemals auf hypothetische Fragen zu antworten - und daran halte ich mich, sie war eine sehr strenge Dame."
Vornehme Zurückhaltung also in Brüssel. Jedenfalls nach außen. Tatsächlich blickt alles hoch gespannt auf den 12. Dezember und auf das, was danach passiert. In London und in Brüssel.