G20-Gipfel ohne Putin Russland gegen den "kollektiven Westen"
Russland will die Bühne der G20 nutzen, um sich als Vorreiter einer neuen Weltordnung zu stilisieren. Der Kreml gibt sich im Vorfeld aggressiv und ist im Ton klar anti-westlich.
Großes Bedauern ließ Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow nicht erkennen, als er verkündete, dass der russische Präsident Wladimir Putin nicht persönlich am Treffen der Staats- und Regierungschefs der großen Industrie- und Schwellenländer G20 in Indien teilnehmen wird. Putin habe einen sehr vollen Terminkalender, er habe andere Prioritäten gesetzt.
Kein Raum für Kompromisse
Und das ist aus Sicht von Außenminister Sergej Lawrow nur allzu verständlich: "Die G20 wurden gegründet, um Probleme der Weltwirtschaft und des globalen Finanzwesens zu lösen. Das Format war viele Jahre recht effektiv, bis der Westen beschloss, alles zu 'ukrainisieren', auch die Arbeit der G20."
Schon im vergangenen Jahr auf dem Gipfel auf Bali habe man viel Zeit damit verschwendet, eine von allen mitgetragene Formulierung zum Ukraine-Konflikt zu finden, statt sich mit der eigentlichen Tagesordnung der Gastgeber zu beschäftigen. "Da stand dann, dass einige Länder ihn verurteilen, dass andere aber einen anderen Standpunkt haben. Gleichzeitig waren sich alle einig, dass G20 nicht das Format ist, um Fragen der globalen Sicherheit zu diskutieren."
Den indischen Gastgebern ergehe es nun bedauerlicherweise genauso, meint Lawrow. Nur dass Russland dieses Mal keine Abschlusserklärung unterzeichnen werde, die nicht die eigene Position widerspiegele. Es ist eine Position, die klar anti-westlich ausgerichtet ist und keinen Raum für Kompromissformeln lässt.
Inszenierung als Speerspitze
Der Westen ist nach russischer Diktion nicht nur maßgeblich verantwortlich für den Krieg in der Ukraine, sondern auch für die Destabilisierung der Weltwirtschaft, für Versorgungsengpässe und für den Zusammenbruch von Lieferketten. Lawrow sprach vor der Staatsduma von einem "kollektiven Westen", der versuche "um jeden Preis der Welt weiter seinen Stempel aufzudrücken".
Worte wie Neo-Kolonialismus und Neo-Imperialismus gehen russischen Staatsvertretern und Politikern inzwischen flüssig über die Lippen. Der Kreml inszeniert sich als Speerspitze im Kampf für eine neue Weltordnung, die als multipolar und nun auch noch als polyzentrisch angepriesen wird. Er wirbt mit allen Mitteln um Verbündete in seinem ganz eigenen Kampf gegen alles Westliche, lockt mit günstiger Energie, Militärhilfen, einem vom Dollar entkoppelten Welthandel, mehr Einfluss für den Globalen Süden.
Putin will Xi treffen - und Kim?
"Das ist einer der Gründe, warum immer mehr Staaten den BRICS und der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit beitreten wollen. Sie suchen nach Wegen, um Wirtschafts- und Finanzprobleme zu lösen unter Umgehung jener Strukturen, in denen der Westen präsent ist", sagt Lawrow. Der russische Außenminister hat bereits angekündigt, sich auf dem Gipfel in Indien für eine Aufnahme der Afrikanischen Union in die G20 stark zu machen.
Putin kümmert sich derweil um andere Verbündete. Ein Treffen mit Chinas Staatschef Xi Jinping, der dem Gipfel ebenfalls fern bleibt, ist in Planung. Spekuliert wird zudem über ein Treffen mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un - noch an diesem Wochenende. Vielleicht ist es einer dieser Termine mit höherer Priorität.