Streit um Staatsnamen bei G20-Gipfel Bharat statt Indien?
In einer offiziellen Einladung zum Dinner beim G20-Gipfel steht "Bharat" statt "India". Die Opposition befürchtet eine schleichende Umbenennung des Staates - im Sinne der hindu-nationalistischen Agenda der Regierung von Premier Modi.
"Mutter Indien" ("Bharat mata ki"), ruft Indiens Premier auf Hindi einer Gruppe von Auslandsindern zu bei einem Staatsbesuch vor ein paar Wochen. Und sie antworten: "Ja, sie lebe hoch". "Bharat", das ist neben "India" der andere Name für Indien. Er wird am Anfang der indischen Verfassung genannt, und wenn sich Menschen auf Hindi unterhalten, dann benutzen sie nicht selten Bharat statt India.
"Ob es nun India ist oder Bharat - wir sind auf beide Namen stolz", sagt Radharanan Das von der Hare-Krishna-Bewegung. "Es ist aber sehr unglücklich, wenn man so eine Abneigung, so einen Hass auf unseren Landesnamen entwickelt."
Ein neuer Name als Teil der politischen Agenda?
Die regierenden Hindu-Nationalisten hassten den Landesnamen "India" tatsächlich, so sehen es Vertreter religiöser Minderheiten und der Opposition. Das Hindi-Wort "Bharat" geht auf eine mythologische Figur aus dem Hinduismus zurück. Es werde nun für eine hindu-nationalistische Agenda missbraucht - deshalb auch die heftigen Reaktionen.
Zum Staatsdinner beim G20-Gipfel am Samstag lädt nämlich laut Einladung der "President of Bharat" ein und nicht der "President of India" - eine vollkommen neue Bezeichnung des Staatsoberhaupts, in diesem Fall von Staatspräsidentin Draupadi Murmu. Der Abgeordnete Gaurav Gogoi von der Kongresspartei ist fassungslos: "Mir fehlen wirklich die Worte. Das ist unglaublich. Ich hoffe, dass das Oberste Gericht Indiens einschreiten wird. Hier geht es darum zu spalten. Das ist sehr sehr traurig."
Hindus sehen Landesnamen als historisch belastet an
Warum nun plötzlich "Bharat"? Fragt man Politiker der regierenden Hindu-Nationalisten von der Partei BJP, wird schnell klar: Es geht um mehr als die kleinere Änderung auf der G20-Einladung. "Es waren nur die Invasoren und andere, die in dieses wunderbare Land gekommen sind und ihm einen anderen Namen gegeben haben", Meenakshi Lekhi, Staatsministerin im Außenministerium. "Und dieser andere Name wurde der gebräuchlichste. Aber es ist doch nichts falsch daran, uns unser Erbe zurückzuholen. Alle Fesseln der Sklaverei, alle Fesseln, die uns in unserer Tradition und Kultur einschränken, müssen zerrissen werden."
"Es hätte schon immer dieser Name sein sollen"
Swaminathan Gurumurthy ist Ideologe des radikal-hinduistischen RSS, einer Kaderorganisation, die der Regierungspartei nahesteht und die oft als faschistisch bezeichnet wird. Auch er befürwortet den neuen Namen. Im Fernsehsender India Today sagte er: "Indien wurde fälschlicherweise Indien genannt. Es war ursprünglich Bharat. Deshalb hätte schon immer dieser Name sein sollen, überall in der Verfassung. Es ist dann ein anderer Namen geworden. Ich weiß gar nicht warum. Was immer sich die Verfassungsväter dabei gedacht haben, sie haben es gemacht. Aber wir haben die Verfassung schon vierhundert Mal ergänzt."
Der Verdacht der Gegner einer Namensänderung: Hier soll im Scheinwerferlicht des G20-Gipfels, quasi unter den Augen der Staats- und Regierungschefs, der erste Schritt getan werden, um Indien umzubenennen. Für eine Verfassungsänderung fehlt den Hindu-Nationalisten zwar die notwendige Mehrheit. Aber klar ist: Der Streit um den Namen des Landes ist keine der üblichen politischen Kontroversen in der indischen Innenpolitik. Er dreht sich um Grundsätzliches - und er wird auch nach dem G20-Gipfel weitergehen.