Millionen IP-Adressen gesperrt Moskau kriegt Telegram nicht zu fassen
Beim Vorgehen gegen den Messenger-Dienst Telegram haben russische Behörden Millionen IP-Adressen blockiert - darunter Hunderttausende von Google und Amazon. Doch den Chatdienst bekommen sie so nicht zu fassen.
Russische Behörden haben versucht, mit der Sperrung von Millionen IP-Adressen den Chatdienst Telegram im Land lahmzulegen. Die Aufsichtsbehörde Roskomnadsor setze damit ein Gerichtsurteil gegen Telegram um, sagte deren Leiter Alexander Scharow der Zeitung "Iswestija" in Moskau. Russland sperre 18 Netzwerke, die von den Unternehmen Amazon und Google verwendet würden, fügte er hinzu. Auf den Netzwerken befänden sich Webseiten, die vermutlich von Telegram verwendet würden, um sich einem Verbot der Mitteilungsapp zu widersetzen.
Allerdings liefert sich der Dienst, entwickelt von dem russischen Unternehmer Pawel Durow, seit Tagen ein Katz-und-Maus-Spiel mit den Behörden. Telegram wechselt ständig auf die Server anderer Anbieter. Um das zu unterbinden, ließ Roskomnadsor 16 Millionen IP-Adressen blockieren, von denen 13 Millionen den US-Großanbietern Google und Amazon gehören.
Entschlüsselung privater Chats verweigert
Die russischen Behörden hatten am Montag mit der Sperrung von Telegram begonnen. Die Richter hatten die Blockade angeordnet, nachdem der Online-Dienst den russischen Geheimdiensten die Entschlüsselung privater Chats verweigert hatte.
Trotzdem ist Telegram in Russland weiter verfügbar. Die Sperren legten aus Versehen aber andere Chatdienste wie Viber sowie Internethändler und einen Kurierdienst zeitweise lahm. Es fehle Durow an "Gesetzestreue und Verantwortlichkeit", sagte Scharow.
Telegram-Entwickler sagt Danke
Durow schrieb gestern auf seinem Kanal, es sei kein erheblicher Rückgang der Aktivität auf dem Messenger-Dienst festgestellt worden. "Ich danke Euch russischen Telegram-Nutzern für Eure Unterstützung und Treue. Danke, Apple, Google, Amazon, Microsoft, dass Ihr Euch nicht an der politischen Zensur beteiligt habt."
Der russische Inlandsgeheimdienst FSB vermutet, dass unter anderem Terroristen die verschlüsselte Kommunikation auf Telegram nutzen. Weil Durow sich weigert, die Verschlüsselung aufzuheben, hatte ein Moskauer Gericht vergangene Woche die Schließung verfügt.
Flashmob von Telegram-Unterstützern. Nach der Gerichtsanordnung demonstrierten sie vor dem Gebäude von Roskomnadsor in St. Petersburg.
Chamenei verlässt Telegram
Bedenken gegen Telegram gibt es allerdings auch in anderen Ländern. IT-Sicherheitsexperten kritisieren zudem, dass der hausgemachte Krypto-Algorithmus der Firma für Attacken anfällig sein könnte.
Zuletzt hatte auch Irans geistliches Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei den beliebten Messengerdienst verlassen. Zum "Schutz der nationalen Interessen" und zur "Beseitigung des Monopols" von Telegram beende Chamenei die Nutzung der App, hieß es auf dessen offiziellem Telegram-Kanal. Nutzer wurden zu anderen Konten Chameneis auf alternativen iranischen Messengerdiensten wie Soroush und Gap verwiesen.
Über 200 Millionen Nutzer
Mit Telegram kann man wie bei WhatsApp oder dem Facebook Messenger chatten, Fotos und Videos austauschen oder telefonieren. Die App ermöglicht auch, bestimmte Kanäle zu abonnieren.
Seit dem Start von Telegram im Jahr 2013 wuchs die Zahl der Nutzer auf über 200 Millionen. Besonders beliebt ist der Dienst wegen seiner starken Verschlüsselung bei politischen Aktivisten.