Demonstration in Moskau Für die Freiheit im Netz
In Moskau haben Tausende Menschen gegen Internetzensur demonstriert. Sie fürchten um ihre Kommunikationsfreiheit - die Sperrung des Telegram-Messengers durch die Behörden scheint nur der Anfang.
Sie haben die Nase voll und wollen sich wehren. In Moskau sind laut Polizei- und Veranstalterangaben etwa 8000 Demonstranten am zentralen Sacharow-Platz zusammengekommen. Andere sprechen sogar von mehr als zehntausend. Sie skandieren Bekanntes, wie "Putin ist ein Dieb", aber auch Parolen für ein freies Internet und gegen Zensur. Auf der Bühne: meist schwarz angezogene Computer-Aktivisten. Sie toben gegen die Blockade des in Russland beliebten Messengerdienstes Telegram.
Es gehe weniger um Telegram als vielmehr um das Recht auf Freiheit im Netz, richtet sich ein Aktivist an die Menge. "Der Druck des Staates nimmt in letzter Zeit zu: auf das Internet, auf unsere Kommunikationsfreiheit. Sehen wir das? Ja!" Die perfiden Gesetze gegen das Internet würden ständig absurder. "Sie wollen uns unsere Rechte nehmen: das Recht auf freie Meinung!"
Kremlkritiker Nawalny dabei
Die Demonstranten auf dem Sacharow-Platz werden von Kremlkritiker Alexej Nawalny unterstützt. Er tauchte am Nachmittag plötzlich unter den Demonstranten auf, gab Interviews und stand dann auf der Bühne. Das ist ihm schon lange nicht mehr gelungen. Vor den Wahlen bei seinen eigenen Protestaktionen hatte ihn die Polizei immer gleich festgenommen. Jetzt konnte er direkt zu den Demonstranten sprechen - und bedankt sich beim Telegram-Erfinder: "Danke Pavel Durow, dass Du diese Bewegung als Widerstand bezeichnest, weil Widerstand bedeutet, dass man etwas tut, dass man nicht schweigt. Dass man sich wehrt, wenn man erniedrigt wird."
Die Emotionen schlagen hoch. Seit zwei Wochen ist im russischen Internet nichts mehr wie es einmal war. Viele Seiten lassen sich nicht mehr aufrufen. Kassensysteme haben Schwierigkeiten mit der Abrechnung. Das hat damit zu tun, dass die russische Regulierungsbehörde ins Internet eingegriffen hat.
Der Kremlkritiker Nawalny unterstützt die Proteste gegen Internetzensur.
Telegram gibt Verschlüsselung nicht weiter
Nach einem entsprechenden Gerichtsurteil Mitte des Monats muss sie Telegram blockieren. Weil der Messenger seine Verschlüsselung nicht an den russischen Geheimdienst weitergibt. Für die Blockade sperrt die Behörde immer wieder neue IP-Adressen - ohne Rücksicht auf Verluste, weil es Telegram gelingt, den Sperren geschickt auszuweichen. Mittlerweile sind in Russland Millionen IP-Adressen gesperrt, auch von Google, Apple, Microsoft.
Ein Mann, der seine Tochter an der Hand hält, ist froh, dass er beim Protest dabei ist: "Die einzige Möglichkeit in Russland, politisch zu sein, sind Straßenproteste. Man kann doch nicht auf die Clowns aus der Duma hoffen." Noch wichtiger sei, dass dieses Mal das Thema viele zusammenbringe.
Durch den Protest erfahren viele auch, dass sie mit ihrer Haltung nicht alleine sind - und das bestärkt sie. Die Aktion #DigitalResistance war im Vorfeld von der Stadtverwaltung genehmigt worden.
Der Kremlkritiker Nawalny nutzte seinen Auftritt auch dafür, auf den von ihm geplanten Protest am kommenden Samstag hinzuweisen. Der ist nicht genehmigt und die Polizei warnt schon vor Festnahmen.