EU-Treffen zu Grenzkontrollen Mission: Schengen retten
Dänemark, Schweden, auch an der deutsch-österreichischen Grenze wird wieder kontrolliert. In der EU wächst die Angst vor dem Domino-Effekt - und damit dem Ende des Schengen-Systems. Beim Krisentreffen in Brüssel gab es ein klares Bekenntnis zum System offener Grenzen.
Das System offener Grenzen in Europa, auch Schengen genannt, befinde sich in teilweise "komatösem Zustand", hatte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker noch vor kurzem diagnostiziert. Dass auch Schweden und Dänemark kürzlich Grenzkontrollen einführten, hatte die Brüsseler Behörde immerhin so beunruhigt, dass sie zu einem - auch als "Grenz-Gespräche" bezeichneten - Treffen nach Brüssel lud.
"Wir sind uns alle einig darüber, dass das Schengen-System bewahrt werden muss", sagte EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulo nach dem Treffen. "Die getroffenen Ausnahme-Maßnahmen, so der Beschluss, sollen auf das kleinstmögliche Maß begrenzt bleiben, wir wollen so schnell wie möglich zur Normalität zurückkehren."
Derzeit sei wegen der Stichproben dänischer Grenzer die Bewegungsfreiheit an der deutschen Grenze in der Tat nicht stark eingeschränkt, so der Parlamentarische Staatssekretär im Innenministerium, Ole Schröder, der an dem Treffen teilnahm. Im Interview mit dem ARD-Studio Brüssel warnte er jedoch gleichzeitig: "Es ist natürlich denklogisch, dass, wenn eine europäische Lösung nicht gelingt, wir mehr und mehr zu mitgliedstaatlichen Lösungen kommen. Und deshalb setzt sich auch Deutschland so massiv für eine europäische Lösung ein."
Angst vor dem Domino-Effekt
Fest steht: Der Domino-Effekt, also die Gefahr, dass ein Staat in Europa nach dem anderen die Grenzen dichtmacht, weil es der Nachbar auch tut, ist nicht gebannt. Eine klare Zusage, wann die Kontrollen wieder aufgehoben werden sollen, bekam Brüssel von Schweden und Dänemark jedenfalls nicht. Im Gegenteil. Die Dänen erwägen gar, die Checks noch zu verschärfen. "Wir bewerten die Lage von Stunde zu Stunde", sagte Inger Stöjberg, die für Migration zuständige Ministerin Dänemarks. "Und wir werden, wenn nötig, die Haftung der Transportunternehmen einführen. Das kann sehr kurzfristig geschehen."
Das bedeutet: Möglicherweise werden auch Bus- und Bahnunternehmen dazu verpflichtet, die Ausweise von Passagieren zu kontrollieren. Das hätte natürlich auch Auswirkungen auf deutsche Reisende. In Schweden passiert dies bereits - und zwar mit dem erklärten Ziel, die Zahl der Flüchtlinge zu begrenzen. Der Migrationsminister Schwedens, Morgan Johannson, sagte: "Wenn ich nur die Zahl der unbegleiteten Kinder nehme: 26,000 sind in den vergangenen vier Monaten in Schweden angekommen. Das sind umgerechnet 1000 Schulklassen. Zu dieser Situation im Herbst möchte ich nicht zurückkehren." Schweden hatte in den vergangenen Jahren pro Kopf die meisten Flüchtlinge aufgenommen.
Deutschland pocht auf effektiven Grenzschutz
Die im sogenannten Schengen-Raum vereinten Staaten müssen eigentlich ihre Grenzen offen halten, dürfen aber für einen befristeten Zeitraum und unter bestimmten Bedingungen Kontrollen einführen. Auch Deutschland überprüft wieder Reisedokumente an der Grenze zu Österreich. Die Zahl von rund 3200 ankommenden Flüchtlingen täglich sei zuletzt nicht zurückgegangen, so Innenstaatssekretär Schröder. "Wichtig ist, dass wir endlich eine effektiven Grenzschutz an der türkisch-griechischen Grenze haben. Dass wir endlich das europäische Asylsystem auch in Griechenland anwenden. Und dann auch zu einem Umverteilungs-Mechanismus kommen."
Wenn wir die Grenzen innerhalb Europas offenhalten wollen, müssen wir die Grenze nach Außen wirksamer abdichten - diesem Motto fühlt sich auch die EU-Kommission verpflichtet. Doch ob es je zu einer dauerhaften, fairen Verteilung von Flüchtlingen innerhalb Europas kommt, wie von Brüssel und Berlin gefordert, ist derzeit fraglicher denn je. Nur wenn Europa seine tiefe Spaltung im Umgang mit den Schutzsuchenden überwinde, werde sich aber das System offener Grenzen retten lasen, mahnen Kritiker.