Menschenschmuggel Europol zerschlägt Schleuserbande
Der Menschenschmuggel über den Ärmelkanal nimmt zu. Mit dramatischen Folgen: Immer wieder gibt es Tote bei der Überfahrt - die Schleuserbanden hingegen machen Kasse. Eines ihrer Netzwerke konnten Ermittler nun zerschlagen.
Es ist ein schmutziges Millionengeschäft. Die Menschenschmuggler bringen Migranten an die französische Küste und schicken sie in aufblasbaren Booten über den Ärmelkanal Richtung Großbritannien. Der Preis: Im Schnitt zweieinhalb- bis dreieinhalbtausend Euro pro Kopf. Ein hochgefährliches Himmelfahrtskommando. Immer wieder kommen Menschen ums Leben, während die Schleuserbanden Kasse machen. Zuletzt waren vor einem halben Jahr 27 Flüchtlinge mit ihrem Schlauchboot gekentert und ertrunken.
Razzien in fünf europäischen Ländern
Eines der aktivsten Schleusernetzwerke in Europa haben die Ermittler jetzt zerschlagen. Jean-Philippe Lecouffe, der verantwortliche Direktor bei der europäischen Polizeibehörde Europol, spricht von "der bedeutendsten Operation, die es jemals gegen diese Form des Menschenschmuggels am Ärmelkanal gegeben hat." Bei Großrazzien in Deutschland, Frankreich, Belgien, Großbritannien und den Niederlanden wurden 39 Verdächtige verhaftet, darunter drei mutmaßliche Bandenchefs. Außerdem beschlagnahmte die Polizei rund 1250 Rettungswesten, 135 Gummiboote und 50 Motoren sowie Bargeld, Waffen, Autos und Drogen. Die meisten der Beschuldigten sollen einen irakisch-kurdischen Hintergrund haben.
Laut Europol war die Bande hochprofessionell und weltweit vernetzt. Eine eigene Abteilung hatte sich um die Beschaffung von Booten und großer Mengen an nautischer Ausrüstung gekümmert. "Diese Organisation hat die Migranten an die Strände gebracht, außerdem die Boote aus Deutschland und den Niederlanden. Und sie hat vor Ort mit Komplizen gearbeitet, mit Kfz-Werkstätten, Autohändlern, Wohnungsbesitzern und mit eigenen Fahrern", erklärt Carole Etienne, leitende Staatsanwältin aus dem nordfranzösischen Lille.
900 Polizeibeamte in Deutschland beteiligt
In Deutschland hatten sich die Ermittlungen auf den Raum Osnabrück konzentriert. Razzien gab es aber auch in NRW, Bremen und Baden-Württemberg. 900 Polizeibeamte waren dabei im Einsatz, laut Staatsanwalt Christian Bagung eine makellose Polizeioperation: "Wir konnten alle 18 Verdächtigen festnehmen, nach denen wir gesucht hatten. Insgesamt haben wir 36 Objekte durchsucht und wichtige Beweismittel gesichert, Boote zum Beispiel, Motoren oder Schwimmwesten."
Die europäische Polizeibehörde geht davon aus, dass seit Oktober 2020 rund 10.000 Menschen aus dem Mittleren Osten und ostafrikanischen Ländern nach Großbritannien geschleust worden sind. Brexit und Corona-Lockdowns hätten dafür gesorgt, dass die Schmuggler die Migranten nicht mehr wie früher in Lastwagen verstecken, sondern über den Seeweg schicken - zeitweise mit bis zu 15 Booten gleichzeitig. "Der Bande hat das einen geschätzten Gewinn von rund 60 Millionen Euro eingebracht", so Europol-Direktor Lecouffe.
Die Ermittlungen gegen die Schleuserbande sind noch längst nicht abgeschlossen. Europol geht deshalb davon aus, dass es in den nächsten Tagen weitere Ergebnisse geben wird.