Fall Selmayr vor dem EU-Parlament Eine Beförderung und 134 Fragen
Die Beförderung Selmayrs zum Generalsekretär der EU-Kommission sorgt weiter für Aufregung. 134 Fragen hatten Parlamentarier der Behörde geschickt. EU-Kommissar Oettinger verteidigt den Schritt.
Inge Gräßle hält einen Stapel Papier in die Luft. Die Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses im Europaparlament und ihre Kollegen hatten der EU-Kommission 134 Fragen zugeschickt, in denen es um die umstrittene Beförderung Martin Selmayrs zum neuen Generalsekretär ging. Die Brüsseler Behörde antwortete auf 80 Seiten Papier.
Geklärt ist damit allerdings noch nicht alles, meint die CDU-Europaabgeordnete Inge Gräßle. "Ich glaube fest, dass eine Ernennung zum stellvertretenden Generalsekretär keinerlei Aufsehen erregt hätte", sagt sie. "Dass dann aber der bisherige Generalsekretär in der gleichen Sitzung seine Pensionierung bekannt gibt und sein neuer Stellvertreter in der gleichen Sitzung weiterbefördert wird - das ist der Knackpunkt, glaube ich. Das fühlt man sich nicht wirklich ernst genommen."
Zweimal befördert innerhalb weniger Minuten
Der 47-jährige Selmayr, zuvor Kabinettschef von Kommissionspräsident Juncker, war Anfang Februar innerhalb weniger Minuten gleich zweimal befördert worden - zunächst zum stellvertretenden Generalsekretär der EU-Kommission, gleich im Anschluss zum Generalsekretär. Dieses Verfahren kritisieren viele Abgeordnete des Europaparlaments als undurchsichtig und rufschädigend für die Europäische Union.
Kritiker sind der Meinung, Kommissionschef Juncker habe kurz vor Ende seiner Amtszeit seinem engen Vertrauen Selmayr den höchsten Beamtenjob in der EU zugeschoben: den mächtigen Posten des Generalsekretärs der EU-Kommission, der Chef über rund 32.000 Mitarbeiter ist.
Für Gräßle fehlen dem neuen Generalsekretär Erfahrungen im Bereich Management. Selmayr sei "ein engagierter Mann, der schnell Karriere gemacht hat", sagt sie. "Schneller als alle anderen Beamten, wie wir auch dank der Beantwortung der Fragen wissen." Acht seiner 13 Jahre habe er in Kabinetten zugebracht. Dagegen sei nichts einzuwenden. "Aber wir sehen keine Managementerfahrungen, wie wir sie von Generaldirektoren kennen."
Für Günther Oettinger gibt es bei dem Verfahren nichts zu beanstanden.
Oettinger verteidigt Beförderung
Günther Oettinger, in der EU-Kommission auch für Personalfragen zuständig und wie Gräßle CDU-Mitglied, verteidigte dagegen die umstrittene Beförderung. Er machte sich für die Qualitäten von Selmayr stark. "Er hat uneingeschränkt die fachliche und persönliche Qualifikation, die für dieses Amt notwendig ist." Auch an der Art des Verfahrens, also der doppelten Beförderung in Rekordzeit, gibt es seiner Ansicht nach nichts zu beanstanden. "Wir sind auch nach nochmaliger Prüfung von der Ordnungsmäßigkeit und der Rechtmäßigkeit des Verfahrens und des Verfahrensergebnisses überzeugt."
Selbst wenn die Blitzbeförderung Selmayrs juristisch einwandfrei ist, hinterlässt sie einen bitteren Nachgeschmack. Denn sie macht deutlich, wie sehr Spitzenvertreter der EU-Institutionen Glaubwürdigkeit und Transparenz predigen, sich im Zweifelsfall aber selbst darüber hinwegsetzen.