Neue EU-Pläne gegen Steuerschlupflöcher Steuern da zahlen, wo der Gewinn gemacht wird
Die Steuervermeidung von Großkonzernen koste jedes Jahr fünfmal so viel wie die Bewältigung der Flüchtlingskrise, sagt EU-Wirtschaftskommissar Moscovici. Deshalb will er durchsetzen, dass Konzerne auch dort Steuern zahlen, wo sie den Gewinn machen.
"Wir verlieren jedes Jahr zwischen 50 und 70 Milliarden Euro in der EU dadurch, dass Steuern verschoben werden", sagt Pierre Moscovici, der in der EU-Kommission für Wirtschaft zuständig ist. Das sei fünfmal so viel wie für die Bewältigung der Flüchtlingskrise seit Anfang vergangenen Jahres ausgeben worden sei.
Kleine Unternehmen zahlen mehr Steuern als Großkonzerne
Das soll sich in Zukunft ändern. Konzerne, die in mehreren europäischen Ländern arbeiten, sollen ihre Profite nicht mehr verschieben dürfen: von einem Land, in dem sie hohe Steuern zahlen müssen, auf andere Länder, in denen sie deutlich weniger zahlen. So komme es nämlich, dass kleinere Unternehmen, die nicht in mehreren Ländern tätig seien, im Schnitt 30 Prozent mehr Steuern zahlten als multinationale Konzerne, so Moscovici.
Der Wirtschaftskommissar schlug vor, multinationale Konzerne müssten künftig ihre Steuern dort zahlen, wo sie die Gewinne erwirtschaften. Und das soll nicht nur für europäische Großunternehmen gelten, sondern auch für andere, zum Beispiel aus Asien und den USA, die in Europa arbeiten. Dadurch entstehe ein gerechtes und stabiles Geschäftsumfeld für Unternehmen.
Steuersystem in der EU soll durchsichtiger werden
Darüber hinaus sollen sich Behörden in den Mitgliedsländern künftig untereinander besser über wichtige Steuerdaten multinationaler Konzerne austauschen. Damit soll das Steuersystem in der EU insgesamt durchsichtiger werden.
Denn spätestens seit der Luxleaks-Affäre ist klar, dass hunderte Großkonzerne in Europa durch das Verschieben von Geldern Milliarden Euro an Steuern sparen - und das seit Jahren und ganz legal durch umstrittene Steuergesetze in den einzelnen Ländern. Der EU geht es aber auch darum, Empfehlungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der G20-Staaten umzusetzen.
Kritik von Wirtschaft
Kritik kommt aus der Wirtschaft: Unternehmensverbände warnen, dass das Vorgehen der EU die europäische Wettbewerbsfähigkeit schwächen und Investitionen verhindern könnte. Mehrheitlich Applaus gibt es aus der Politik: "Die Kommissionsvorschläge sind ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung", meint Michael Theurer. Er ist Europaabgeordneter der FDP und Mitglied im Luxleaks-Ausschuss, in dem die Steuervermeidungspraxis in Luxemburg untersucht wird.
Gleichzeitig befürchtet er, dass die neuen Regelungen am Ende nicht so streng sein werden, wie sie jetzt vorgeschlagen werden. "Es besteht die Gefahr, dass in den Verhandlungen mit dem Rat die Vorschläge wieder verwässert werden." Zunächst müssen nun die europäischen Finanzminister darüber verhandeln, später dann die Staats- und Regierungschefs. Dort könnte so mancher andere Interessen durchsetzen wollen, zum Wohle der Großkonzerne in seiner Heimat.
Nationalregierungen am Zug
Burkhard Balz, Europaabgeordneter von der CDU, sieht deshalb die Nationalregierungen in der Pflicht: "Jetzt können sie unter Beweis stellen, dass sie es ernst meinen mit der Bekämpfung von Steuervermeidung und Gewinnverlagerung.“
Die Steuerpolitik ist ein Minenfeld, denn die EU-Staaten müssen die Pläne der Kommission einstimmig beschließen. Wirtschaftskommissar Moscovici will bis Ende Juni eine grundsätzliche Einigung darüber erreichen.