Corona im Weißen Haus Welche Folgen hat Trumps Infektion?
Rund einen Monat vor der Wahl muss der US-Präsident in Corona-Quarantäne. Was ist über Trumps Gesundheit bekannt? Wie geht der Wahlkampf weiter? Sind weitere Infektionen wahrscheinlich? Antworten auf zentrale Fragen.
Was ist über Trumps Corona-Infektion bekannt?
US-Präsident Donald Trump twitterte am frühen Freitagmorgen, dass er und seine Frau Melania positiv auf das Coronavirus getestet wurden. Trumps Leibarzt Sean Conley bestätigte das Testergebnis. Dem Ehepaar gehe es gut und sie planten, während der Genesung im Weißen Haus zu bleiben. Conley geht davon aus, dass Trump die Amtsgeschäfte normal weiterführen wird.
"Er hat milde Symptome", sagte Trumps Stabschef Mark Meadows. "Ich bin optimistisch, dass er sich sehr schnell und zügig erholen wird." Trump sei nicht nur "in guter Stimmung", sondern auch sehr energiegeladen.
Es wird vermutet, dass Trumps enge Beraterin Hope Hicks ihn infiziert hat. Sie soll sich Mitte der Woche schlecht gefühlt haben, gestern wurde ihre Corona-Infektion offiziell bestätigt. Hicks begleitete Trump in dieser Woche mehrfach zu Wahlkampfauftritten und auch während des Fernsehduells mit Joe Biden. Die 31-Jährige ist auch häufig mit an Bord des Präsidentenflugzeugs Air Force One und des präsidialen Hubschraubers.
Donald Trump ist 74 Jahre alt. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts steigt bei Coronavirus-Infektionen das Risiko einer schweren Erkrankung ab 50 bis 60 Jahren stetig an. Als weitere Risikofaktoren gelten Vorerkrankungen wie etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes.
Beim jährlichen öffentlichen Gesundheitscheck attestierte Conley dem Präsidenten im Juni einen guten Allgemeinzustand. Das Körpergewicht Trumps wurde mit rund 110 Kilogramm bei einer Körpergröße von etwa 1,90 Meter angegeben. Das entspricht einem Body-Mass-Index von 30,5, womit man als übergewichtig gilt. Eine schwere Vorerkrankung Trumps ist nicht bekannt.
Etwaige schwere Symptome dürften bei ihm erfahrungsgemäß - wenn überhaupt - erst in den kommenden Woche auftreten, vorausgesetzt er habe sich vor kurzer Zeit angesteckt, so der Corona-Experte David Strain von der University of Exeter. Beim britischen Premierminister Boris Johnson etwa habe sich dessen Zustand am zehnten Tag verschlechtert.
Dieses Foto vom 15. September zeigt Hope Hicks (li.) mit Donald Trump im Hubschrauber des Präsidenten.
Was passiert, wenn Trump sein Amt nicht ausführen kann?
Derzeit gibt es keine Anzeichen dafür, dass der Gesundheitszustand des Präsidenten sich verschlechtert hat.
Aber selbst wenn Trump ausfiele, entstünde kein Machtvakuum. Seit 1967 wird im 25. Zusatz zur US-Verfassung die Vertretung des Staatsoberhaupts klar geregelt. Dort ist festgehalten, dass die Geschäfte dem Vize-Präsidenten übergeben werden können, entweder für einen bestimmten Zeitraum oder bis auf Widerruf. Sollte ein Präsident nicht willens oder in der Lage sein, seinen Ausfall selbst zu regeln, können der Vize-Präsident und eine Mehrheit der Kabinettsmitglieder dem Kongress anzeigen, dass der Vize die Amtsgeschäfte übernimmt. Dies ist allerdings noch nicht vorgekommen.
Pence (re.) würde Trump vertreten, wenn dieser die Amtsgeschäfte nicht ausüben kann.
Der Verfassungszusatz regelt auch die Nachfolge für den Fall des Todes, Rücktritts oder einer Amtsenthebung: Dann hätte der bisherige Vize-Präsident alle Vollmachten - in Trumps Fall also Mike Pence. Falls auch Pence ausfiele, wäre die Sprecherin des Repräsentantenhauses am Zug - das wäre die Demokratin Nancy Pelosi.
Wie geht der Wahlkampf weiter?
Diese Frage stellen sich vermutlich Millionen Menschen in den USA gerade - eine klare Antwort lässt sich derzeit nicht geben.
Klar ist, dass es vorerst keine öffentlichen Auftritte des Präsidenten mehr geben wird, weil er in Quarantäne bleiben muss. Trump hatte bisher sehr stark auf große öffentliche Veranstaltungen gesetzt, um seine Anhängerinnen und Anhänger zu mobilisieren. ARD-Korrespondentin Verena Bünten rechnet stattdessen mit einem virtuellen Wahlkampf des Amtsinhabers - so wie es der demokratische Herausforderer Joe Biden bereits seit längerer Zeit macht.
Durch die Corona-Infektion Trumps wackelt auch der Termin des zweiten Fernsehduells gegen Biden, das für den 15. Oktober geplant ist. Sieben Tage später sollte das dritte TV-Aufeinandertreffen folgen.
Bessere oder schlechtere Wahlchancen für Trump?
Sollte Trump die Coronavirus-Infektion ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen überstehen, würde dies seine Sicht untermauern, dass Sars-CoV-2 nicht sehr gefährlich ist. Möglicherweise könnte er versuchen, daraus politisches Kapital zu schlagen - ähnlich wie der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro.
Andererseits dürfte Trump selbst bei einem milden oder asymptomatischen Verlauf ganz besonders unter öffentlicher Beobachtung stehen. Die Demokraten werden vermutlich versuchen, jede körperliche oder mentale Schwäche darauf zurückzuführen und gleichzeitig immer wieder an die vielen Corona-Toten in den USA erinnern. Ein Thema, an das Trump im Wahlkampf ungern erinnert wird.
Zudem dürften sich bereits jetzt die Kritiker bestätigt fühlen, die dem US-Präsidenten vorwerfen, das Virus heruntergespielt zu haben. Wenn selbst der erste Mann im Staat sich infizieren kann, reichen die Schutzmaßnahmen offenbar nicht aus, werden sie argumentieren.
Ein schwerer Krankheitsverlauf wäre für Trump aus mehreren Gründen im Wahlkampf eine Katastrophe - selbst abseits der gesundheitlichen Folgen für ihn. Er könnte keinen effektiven Wahlkampf machen, dies würde seinen bisherigen Darstellungen der Pandemie widersprechen und seine Wahlkampfthemen sowie- slogans wie "Law and Order", die Nachbesetzung des Obersten Gerichts und seine persönliche Diffamierung Bidens als "schwach" oder "senil" würden kaum mehr Beachtung finden.
Könnte der Wahltermin verschoben werden?
Die Hürden für eine Verschiebung sind extrem hoch, weil der Termin seit 1845 gesetzlich festgeschrieben ist. Nötig wäre eine Änderung durch den Kongress, die noch dazu vor Gerichten angefochten werden könnte.
Dies wird derzeit deshalb als nicht realistisch eingeschätzt.
Wie geht es dem Umfeld Trumps?
Bereits in den vergangenen Monaten gab es immer wieder Covid-19-Fälle im Weißen Haus - unter anderem waren die Pressesprecherin von Vizepräsident Pence, Sicherheitsberater Robert O’Brien und andere Angestellte betroffen.
Bisher unklar ist allerdings, mit wie vielen Menschen im engen Trump-Umfeld die Beraterin Hicks direkten Kontakt hatte. Der Fernsehsender MSNBC nennt 20 Menschen, die kürzlich mit ihr unterwegs waren. Darunter sind Trumps Tochter Ivanka, Wahlkampfmanager Bill Stepien und Sprecherin Kayleigh McEnany. Fotos von Mittwoch zeigen Hicks Seite an Seite mit Trumps Schwiegersohn und Berater Jared Kushner - beiden trugen keinen Mund-Nasen-Schutz.
Natürlich traf auch Trump in den vergangenen Tagen zahlreiche Menschen - darunter seine Kandidatin für den freigewordenen Richterposten am Supreme Court, Amy Coney Barrett. Sie wurde im Laufe des Freitags negativ getestet, teilte das Weiße Haus mit. Auch Finanzminister Steven Mnuchin erhielt nach eigenen Angaben einen negativen Befund.
Nach offiziellen Angaben fiel ein Corona-Test bei Vizepräsident Pence inzwischen negativ aus.
Pence soll die Amtsgeschäfte vorerst von seinem Wohnsitz aus führen. Die Mitarbeiterstäbe von Trump und Pence sollen getrennt arbeiten.
Barron Trump, der jüngste Sohn des US-Präsidenten, wurde ebenfalls negativ getestet. Es würden alle Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, damit er sicher und gesund bleibe, sagte die Pressesprecherin der First Lady, Stephanie Grisham.