Ein Hammerhai schwimmt im Meer nahe der Galapagosinseln bei Ecuador.

UN-Abkommen zum Schutz der Meere "Historisch und überwältigend"

Stand: 05.03.2023 19:01 Uhr

Nach 15 Jahren Verhandlungen haben sich die UN auf ein Abkommen zum Schutz der Hohen See geeinigt. Politiker und Umweltorganisationen sprechen von einem Erfolg. Vor allem die Verteilung von Gewinnen war bis zuletzt umstritten.

Als spät in der Nacht Kommissionsleiterin Rena Lee das Wort ergriff, war auch bei den Delegierten der Vereinten Nationen die Erleichterung groß: Das Schiff habe das Ufer erreicht, sagte die Diplomatin aus Singapur unter dem Beifall der Unterhändler der UN-Mitgliedsstaaten. Fast 40 Stunden am Stück hatten sie zuvor in einer Marathon-Abschlusssitzung verhandelt.

Insgesamt stritt die Weltgemeinschaft mehr als 15 Jahre lang auf verschiedenen Konferenzen über ein Abkommen zum Schutz der Hohen See. Dem ersten überhaupt: "Bei uns in Singapur gehen wir gerne auf Lernreisen", sagte Lee. "Unsere Kinder machen schon früh solche Reisen, um zu Lernen. Und ich kann heute sagen: Das war die Lernreise eines Lebens."

Keine Wiederaufnahme der Verhandlungen geplant

Ob allerdings auch Russland und China diese Lernreise zum Abschluss gebracht haben und Teil des Abkommens sind, blieb zunächst unklar. Das Verhalten der beiden Länder hatten Unterhändler als "destruktiv" bezeichnet. Dabei ging es um die Frage, ob Meeresschutzgebiete künftig mehrheitlich oder nur einstimmig beschlossen werden sollen. Vor allem Russland hatte auf Einstimmigkeit gepocht, was einem Vetorecht gleichkäme.

Der Abschlusstext wurde zunächst nicht veröffentlicht. Nach Angaben von Diplomaten soll darin aber eine Dreiviertel-Mehrheitsentscheidung festgeschrieben worden sein. Laut Konferenzleiterin Lee werde es keine Wiederaufnahme der Verhandlungen oder inhaltliche Diskussionen mehr geben. Der Text werde jetzt noch einmal von Juristen geprüft und in die sechs Amtssprachen der Vereinten Nationen übersetzt. "Dann werden wir das Abkommen in allen sechs offiziellen Sprachen formell beschließen", sagt Lee.

UN-Mitgliedstaaten einigen sich auf erstes internationales Hochseeabkommen

Kerstin Klein, ARD Washington, tagesschau, tagesschau, 05.03.2023 20:00 Uhr

Schutz der biologischen Vielfalt auf Hoher See

Ziel der Verhandlungen war es vor allem, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass bis Ende des Jahrzehnts mindestens 30 Prozent der Weltmeere als Schutzgebiete ausgewiesen werden können. Das Abkommen soll außerdem die biologische Vielfalt auf Hoher See unter international verbindlichen Schutz stellen. Zudem sollen Verfahren festgelegt werden, um wirtschaftliche Ausbeutung, Expeditionen und andere Aktivitäten in den Meeren auf ihre Umweltverträglichkeit hin zu prüfen.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke nannte das Ergebnis einen "historischen und überwältigenden Erfolg für den internationalen Meeresschutz", der sie persönlich tief bewege. Sie baue darauf, dass möglichst viele Staaten das Abkommen ratifizieren. Deutschland werde sich dafür einsetzen, so Lemke. "Wir sind Vorreiter im Meeresschutz und werden das weiter vorantreiben."

UN-Generalsekretär António Guterres sprach von einem "Sieg für den Multilateralismus" und lobte die Arbeit der Delegierten. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schrieb in einer Erklärung: "Wir haben es geschafft!" Der Vertrag werde das Meer über nationale Zuständigkeiten hinaus schützen. Auch Umweltschutzorganisationen reagierten überwiegend positiv, mahnten aber auch eine schnelle Umsetzung des Abkommens an.

Mechanismus für Ausgleichszahlungen an ärmere Länder


Hauptknackpunkt der Verhandlungen war zuletzt, wie mögliche Gewinne künftiger wirtschaftlicher Aktivitäten verteilt werden, sagt Ralph Sonntag vom World Future Council: "Es wird erwartet, dass ganz viele genetische Sequenzen gefunden werden in Zukunft, die beispielsweise für ein neues Mittel gegen Krebs helfen könnten." Zudem könnten diese für neue Super-Kunststoffe eingesetzt werden. Damit ließe sich viel Geld verdienen, so Sonntag. Dies zeigten Funde von genetischen Sequenzen aus dem Amazonas, die in der Pharmaindustrie gewinnbringend eingesetzt worden sind. Länder des globalen Südens hätten davon kaum profitiert. "Das haben dann die großen Pharma-Firmen aus den USA und Europa abgegriffen", sagt Sonntag.

Das soll sich bei zukünftigen Entdeckungen ändern: Die UN-Mitgliedsstaaten vereinbarten einen Mechanismus für Ausgleichszahlungen an ärmere Länder.

Als Hochsee oder Hohe See werden rund zwei Drittel der Weltmeere bezeichnet, die nicht unter die ausschließliche Wirtschaftszone eines Staates fallen, weil sie weiter als 370 Kilometer von der nächsten Küste entfernt sind. Bisher wird nur etwa ein Prozent der Hochsee durch internationale Abkommen geschützt.

Peter Mücke, Peter Mücke, ARD New York, 05.03.2023 17:23 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 05. März 2023 um 19:15 Uhr.