Asylcamp in Ungarn "Das hier ist ein Gefängnis"
120 Flüchtlinge leben im ungarischen Lager Röszke und warten auf ihr Asylverfahren. Wer gehen will, kann gehen - aber landet ohne Perspektive im Niemandsland. Eine Abgeordnete des EU-Parlaments konnte sich vor Ort umsehen.
Eine Schotterstraße führt von der Autobahn zum Flüchtlingslager in Röszke, einem kleinen Ort im Südosten Ungarns, an der Grenze zu Serbien. Die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel war mit Kollegen dort, um sich einen Eindruck von dem Asylcamp zu machen. Dort hinein zu kommen, sei schon gar nicht so einfach gewesen, erzählt sie.
"Es hat einiger Abstimmungen im Vorfeld bedurft. Wir mussten uns anmelden, unsere Ausweise vorzeigen. Wir sind dann aber reingekommen. Allerdings hatten wir den Eindruck, dass man schon noch ein bisschen aufgeräumt hatte, um uns nur die schönen Seiten zu zeigen", sagt sie.
Fotos machen war verboten. Beim Rundgang durch das Lager waren stets mehrere Polizisten dabei. In dem Asylcamp leben derzeit rund 120 Menschen: Männer, Frauen und Kinder, die meisten von ihnen stammen aus Afghanistan. Sie leben in Containern, die umgeben sind von zwei hohen Stacheldrahtzäunen, Überwachungskameras und Scheinwerfern.
Die Stimmung ist erdrückend
Eine erdrückende Stimmung, die Angst machen und für Abschreckung sorgen soll, sagt Sippel. "Das ganze Lager ist mit losem Schotter ausgelegt. Es gibt keine Grünflächen, keine Klimaanlagen, keine Rückzugsmöglichkeit, keine Beschäftigungsmöglichkeiten."
Die Asylbewerber bekommen das Lebensnotwendigste: Nahrung und medizinische Versorgung. Für die Kinder gäbe es ein paar Spielgeräte, die aber kaum genutzt würden. Viele Flüchtlinge bewegen sich niedergedrückt, schauen zu Boden, wirken verunsichert und eingeschüchtert, erzählt Sippel.
Mit einigen Asylbewerbern konnten die Europaabgeordneten sprechen. "Sie haben uns erschütternde Geschichten erzählt von Angehörigen, Partnern, die auf der Flucht gestorben sind. Von Menschen, die kaum Möglichkeiten haben, mit Freunden und Verwandten Kontakt aufzunehmen."
In Handschellen zum Arzt
Wenn die Flüchtlinge zum Beispiel einen Arzt brauchen, müssen sie das vorher anmelden und werden dann von bewaffneten Polizisten dorthin und auch wieder zurückgebracht. Manche besonders strenge Polizisten sollen Erwachsenen, selbst Kindern, dafür Handschellen anlegen.
"In diesem Lager sind die Flüchtlinge solange eingesperrt bis ihr Asylverfahren abgeschlossen ist. Trotz aller Versuche der ungarischen Regierung zu sagen, das sei kein Gefängnis: Auf mich wirkte das wie ein Hochsicherheitstrakt", so Sippel.
Wer geht, landet im Niemandsland
Die Ungarn bezeichnen das Lager als Transitzone. Und legen Wert darauf, dass jeder Asylbewerber, der gehen will, gehen kann. Doch wohin soll er gehen? Er landet im Niemandsland zwischen Ungarn und Serbien. Und könnte höchstens zurück ins Nicht-EU-Land Serbien, wo es aber auch keine Perspektive gibt, sagt Sippel. "Wer einmal raus ist aus dem Lager, wird nicht ein zweites Mal aufgenommen, um nochmal einen Asylantrag zu stellen. Insofern ist das schon eine sehr verzweifelte Lage."
Ihrer Ansicht nach muss die EU-Kommission einschreiten. Denn die Zustände im ungarischen Asyllager Röszke verstoßen nicht nur gegen europäische Werte, meint Sippel. "Sie verstoßen auch gegen europäisches Recht und internationales Recht", so die Europa-Abgeordnete.