Sorge um Pressefreiheit Merkel warnt Ungarns Regierung
Die neuen ungarischen Mediengesetze sorgen auch in Deutschland für Unruhe. Kanzlerin Merkel warnte die Regierung in Budapest davor, rechtsstaatliche Prinzipien zu verletzen. Grünen-Fraktionschef Trittin sprach von einem "Anschlag auf die Pressefreiheit". Herbe Kritik kommt auch aus Luxemburg und dem EU-Parlament.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die ungarische Regierung vor einer Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien im Umgang mit den Medien gewarnt. Die Bundesregierung beobachte die Änderung der Mediengesetzgebung in Ungarn mit "großer Aufmerksamkeit", sagte Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans. Als künftige EU-Präsidentschaft trage Ungarn natürlich eine besondere Verantwortung für das Bild der EU. Auch deshalb sei es selbstverständlich, dass Ungarn den Werten der EU verpflichtet bleibe. Das Land übernimmt die Präsidentschaft am 1. Januar.
Steegmans verwies ausdrücklich auch auf die Kritik der OSZE. Deren Medienbeauftragte Dunja Mijatovic hatte von einer Gesetzeslage "wie sonst nur unter autoritären Regimen" gesprochen.
Trittin: "Anschlag auf die Pressefreiheit"
Nach Ansicht von Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin kann Ungarn ohne eine Rücknahme des Gesetzes den EU-Ratsvorsitz nicht übernehmen. "Diese fatale Entscheidung muss sofort zurückgenommen werden", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Ein solcher "Anschlag auf die Pressefreiheit" sei mit der EU-Ratspräsidentschaft Ungarns unvereinbar.
Trittin forderte die Bundesregierung und vor allem Außenminister Guido Westerwelle zum sofortigen Eingreifen auf. Die Regierung müsse dafür sorgen, dass europäische Grundrechte von keinem Mitgliedstaat unterminiert würden.
Ausdrücklich zog Trittin eine Parallele zu den EU-Protesten gegen die Regierungsbeteiligung des österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider im Jahr 2000: "Die Werte Europas dürfen nicht dumpfem Nationalismus geopfert werden. Das galt bei Haider und gilt auch für Ungarn."
Luxemburg: "Das ist hochgefährlich"
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn betonte im Tagesschau-Interview, politischer Druck auf die Regierung in Budapest sei wichtig. Die geplante Kontrolle der Medien verstoße gegen den EU-Vertrag - ein Fall für die EU-Kommission als Hüterin der Verträge. Tatsächlich erklärte die Kommission, sie untersuche, ob die Verschärfung des Medienrechts in Ungarn mit EU-Grundsätzen vereinbar sei. Eine Wertung der Gesetzgebung lehnte ein Sprecher allerdings ab. "Wir werden prüfen, in welchem Umfang europäisches Recht und europäische Prinzipien betroffen sind", sagte er.
Asselborn sagte weiter, Ungarn müsse klargemacht werden, dass das Land nicht die EU-Präsidentschaft übernehmen könne, wenn diese Gesetz in Kraft träten. "Wenn eine Regierung sich anmaßt zu definieren, was das allgemeine Interesse ist, und das mit einer Behörde kontrolliert, sind wir nicht mehr in einer Demokratie. Das ist hochgefährlich."
Der Außenminister warnte auch vor Konsequenzen für die Außendarstellung der EU. Sollte Ungarn an seinen Plänen festhalten, werde es sehr schwer, von anderen Staaten Meinungfreiheit für deren Bürger einzufordern. Diese könnten dann am Beispiel Ungarn auf Doppelstandards verweisen, so Asselborn.
Kritik aus dem EU-Parlament
Auch der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament, Martin Schulz, sagte der "Frankfurter Rundschau", man werde Ungarn sehr genau an den europäischen Standards zur Pressefreiheit messen. Sollten diese nicht erfüllt werden, werde Budapest "große Probleme" bekommen. Ähnlich äußerte sich der FDP-Europaabgeordnete Alexander Alvaro: Die ungarische Regierung müsse sich fragen, ob sie mental überhaupt hinter dem Projekt Europäische Union stehe.
Nach dem vom Parlament in Budapest beschlossenen Mediengesetz kontrolliert eine neue Medienbehörde die privaten Fernseh- und Radiosender sowie Zeitungen und Internetportale. Bei Verstößen gegen das neue Gesetz drohen hohe Bußgelder. Seit dem Sommer überwacht die Behörde bereits die öffentlich-rechtlichen Medien.