Professor Denbeaux (links) mit einem Studenten (Archivbild 2013)
Interview

US-Folterprogramm "Die CIA wusste, dass er nichts weiß"

Stand: 10.12.2019 17:25 Uhr

Abu Zabaydah sitzt seit 2006 im US-Gefangenenlager Guantanamo - obwohl die Vorwürfe gegen ihn fallen gelassen wurden. Im ARD-Interview spricht sein Anwalt Mark Denbeaux über die CIA, Folter und sein Hoffen auf Deutschland.

ARD: Professor Denbeaux, Sie sind einer der wenigen, die häufig nach Guantanamo fahren. Jetzt haben Sie zum ersten Mal Zeichnungen Abu Zabaydahs veröffentlicht. Warum jetzt?

Mark Denbeaux: Unser Bericht heißt: "Warum Amerika foltert". Meine Studenten kamen vor eineinhalb Jahren zu der Erkenntnis, dass Amerikaner nicht glauben wollen, dass im Auftrag ihres Landes gefoltert wird. Deshalb leugnen sie es. Jetzt haben wir es zugegeben und niemand will wahr haben, welche Foltertechniken wir angewendet haben. Es ist sozusagen keimfrei gemacht worden.

Ja, wir foltern und es ist ziemlich schmerzhaft, sich klarzumachen, was foltern wirklich bedeutet. Sogar für mich war das schmerzhaft und ich habe eine Menge einfach unterdrückt. Die Zeichnungen sind sehr eindringlich. Es ist eine Sache, sich anzuhören, dass dein Klient nackt bleiben musste. Es ist eine andere, ihn dort nackt und angekettet stehen zu sehen. Und dann die anderen Techniken: Er hat mir von der kleinen Box erzählt, in die er eingesperrt wurde.

"Dumm und es konnte nicht funktionieren"

ARD: Hat der Bericht der Senatskommission über die CIA von 2014 etwas verändert?

Denbeaux: Nachdem klar war, dass die USA foltern, musste das Land langsam zugeben, dass wir nie wieder sagen können, "Wir tun das nicht". Wir können es in einen Zusammenhang stellen - es war nicht als böse Tat geplant, es sollte etwas erreichen. Aber das war dumm und es konnte nicht funktionieren. Ich glaube, aus der Sicht meines Mandanten ist das klar.

In diesem Senatsbericht steht, dass das gesamte Programm konzipiert wurde, um eine Person zu foltern: Abu Zabaydah. Als Folter erlaubt wurde, wussten Justizministerium, CIA und FBI bereits, dass er keineswegs der war, für den sie ihn ausgaben. Sie geben zu, dass er keine nützlichen Informationen hatte, sie geben zu, dass er kein Verbrechen begangen hat und dann haben sie trotzdem diese Foltertechniken erlaubt. Es ist wichtig, dass die Menschen das verstehen. Ich hoffe diese Zeichnungen helfen zu verstehen, wie furchtbar diese Folter war.

ARD: Aber die Regierung hat diesen Fehler nicht korrigiert, er wird immer noch festgehalten.

Denbeaux: Stimmt, das haben sie nicht. Und sie scheinen sich nicht zu schämen.

ARD: Was möchten Sie mit diesen Veröffentlichungen erreichen?

Denbeaux: Ich will ihn frei bekommen.

ARD: Sehen sie dafür eine Chance?

Denbeaux: Ich lebe in einer Welt der Hoffnung und des Optimismus. Ich habe große Hoffnung, dass wir ihn herausbekommen. Ich bin 76 Jahre alt. Ich weiß nicht, ob ich das noch erleben werde. Aber ich glaube, er wird frei kommen. Es ist wie mit dem steten Tropfen, alles was herauskommt, ist hilfreich.

Er war die erste Person, die gefoltert wurde, angeblich weil er die Nummer zwei, drei oder vier bei Al Kaida war. 2006 musste die CIA zugeben, dass er nie Mitglied von Al Kaida war. Das war ein Durchbruch. Das war das Ergebnis der Untersuchung des Senats. Das FBI hatte ihn lange mit den eigenen Methoden verhört. Sie kamen zum Ergebnis, dass er nichts weiß.

Die CIA wollte alleinige Kontrolle und sie wollte das FBI und das Verteidigungsministerium heraushalten. Sie warben einfach zwei Psychologen an, die für die US-Luftwaffe arbeiteten, gaben ihnen viel Geld, damit sie ein Programm entwerfen, um mehr Informationen aus Zabaydah herauszubekommen.

Zeichnung von Abu Zubaydah von Folter des CIA

Nackt angekettet in einer "Stressposition" - diese Zeichnung soll Folter durch die CIA zeigen.

ARD: Kann Folter Erfolg haben?

Denbeaux: Folter produziert Resultate. Genau wie Elektroschocks. Bekommt man nützliche Informationen? Nein.

Die CIA hat versucht, ein Bild zu zeichnen, dass diese Leute niemals unter normalen Umständen reden würden. Es ging ihnen darum, diese "besonderen Techniken" zu rechtfertigen und sie zu kontrollieren. Sie haben eine Menge erfahren - alles was er wusste und mehr. Ihr größtes Problem war allerdings, dass er rein gar nichts wusste.

Das größte politische Problem besteht darin, dass man nicht begründen kann, warum er weiter festgehalten und nicht vor Gericht gestellt wird. Niemand versteht, warum man jemanden foltert, wenn man schon vorher weiß, dass er keine Informationen hat. Und alles nur, weil sie die Erlaubnis zum Foltern wollten, um das dann bei anderen einzusetzen.

Hoffnung auf Freiheit - irgendwann

ARD: Wird er jemals vor Gericht stehen?

Denbeaux: Die meisten Anwälte wollen, dass ihre Klienten nicht wegen eines Verbrechens angeklagt werden. Ich möchte, dass mein Klient endlich anklagt wird. Ich sage immer, es gibt wohl keinen inkompetenteren Anwalt, als den, der es nicht schafft, seinen Klienten vor Gericht zu bringen. Aber ich schaffe es nicht, weil es kein Verbrechen gibt.

Sie können ihn aber auch nicht rauslassen, weil es zwei CIA-Mails gibt, in denen sie schreiben, sie wollen seine Leiche im Todesfall sofort eingeäschert haben. Das war, bevor die genehmigte Folter begann. Eine zweite Mail forderte, dass er im Falle des Überlebens bis zum Ende seiner Tage isoliert bleiben muss. Und sie haben es geschafft. Die einzigen Menschen, mit denen er gesprochen hat, sind seine Folterer, sein Wärter und seine Anwälte.

Professor Denbeaux (links) mit einem Studenten (Archivbild 2013)

Professor Denbeaux (li.) war mehr als 50 Mal in Guantanamo. Dieses Foto mit einem Studenten entstand 2013.

ARD: Sie versuchen, ihn frei zu bekommen. Worauf hoffen Sie?

Denbeaux: Deutschland.

ARD: Deutschland hat noch nicht mal einen eigenen Mann freiwillig zurückgenommen.

Denbeaux: Ich weiß, aber ihr könnt besser werden. Er wird nie rauskommen, wenn nicht alle besser werden. Es ist die Schuld der Vereinigten Staaten, denn sie halten wissentlich einen Menschen gefangen, der nie ein Verbrechen begangen hat. Sie wussten immer, dass er kein Verbrechen begangen hat und haben ihn trotzdem gefoltert. Sie wussten immer, dass er nichts weiß.

Das Persönlichste ist, dass ich mit ihm so viel Kontakt habe, dass sogar mein Familie einbezogen ist. Und es ist nicht leicht, immer wieder dorthin zu fahren. Ein Problem ist mein Alter. Ich bin 76 und falls mir etwas passiert, ist er wirklich allein. Darüber mache ich mir Sorgen. Er ist an den Boden gekettet, wenn ich ihn treffe, er kann keine anderen Beziehungen aufbauen. Das macht es für mich schon sehr persönlich.

ARD: Hat Abu Zabayda noch Hoffnung?

Denbeaux: Das ist noch schwieriger zu erkennen als Depressionen. Ich glaube, er hat Frieden gefunden und vielleicht kommt er raus. Vielleicht wird er alt sein, aber er wird rauskommen. Er ist wie jeder Gefangene, nur dass die meisten das Ende ihrer Strafe kennen. Sie wollen sich nicht daran orientieren, sondern sie Leben von Tag zu Tag. Bis sie rauskommen. Bei ihm ist es nicht die Frage, wann das geschieht, sondern ob es geschieht.

Das Interview führte Christiane Meier, ARD New York

Dieses Thema im Programm: Über diese Thema berichteten die tagesschau am am 31.05.2018 und Zapp am 17.12.2014.