US-Wahl 2024
US-Wahl Blauer Punkt im roten Nebraska
In Nebraska werden wohl die meisten Menschen Trump wählen. Und doch könnte eine Wahlmännerstimme an Harris gehen - und die Wahl entscheiden. Ein Ehepaar hat - eher zufällig - eine Bewegung gestartet.
Vor seiner Garage in Omaha sprüht Jason Brown einen blauen Punkt auf ein weißes Pappschild - Blau, die Farbe der Demokraten. Immer und immer wieder sprüht Jason. Ein abgeschnittener Eimer dient ihm dabei als Schablone.
Vor knapp vier Wochen haben er und seine Frau Ruth ein erstes solches Schild besprüht und in ihren Vorgarten gesteckt. Als Zeichen dafür, dass sie im November für die Demokratin Kamala Harris stimmen werden. Und als Hinweis darauf: Unser Bezirk könnte bei der Präsidentschaftswahl im November ein kleiner blauer Punkt im ansonsten roten Nebraska sein.
Eine Wahlmännerstimme könnte entscheidend sein
In nahezu allen US-Bundesstaaten gilt das "Winner takes it all"-Prinzip. Das heißt: Wer in einem Staat die meisten Stimmen bekommt, erhält alle Wahlmännerstimmen.
Nicht so in Nebraska. Hier werden drei der fünf Wahlmänner in Distrikten bestimmt. Und der Distrikt rund um Omaha hat in der jüngeren Geschichte schon zwei Mal einen Demokraten gewählt. Daran wollen Jason und Ruth mit ihrer Aktion erinnern - und darauf hinweisen: Wir hier könnten am Ende sogar den Ausschlag geben.
Denn gerade einmal sieben Bundesstaaten sind überhaupt noch umkämpft. Gehen Michigan, Pennsylvania und Wisconsin an Harris und Arizona, Georgia, North Carolina und Nevada an Trump, dann hätten beide Bewerber je 269 Wahlmännerstimmen - in diesem Fall gäbe der Distrikt von Ruth und Jason den Ausschlag.
Hunderte "Blue Dot"-Schilder
Noch nicht einmal einen Monat ist es her, dass die beiden ihr erstes Schild in ihren Vorgarten steckten. Doch dann explodierte die Nachfrage. "Unser Nachbar sagte: 'Cooles Schild, wo ist das her?' Und dann fragten immer mehr", erzählt Ruth. "Also war ich wirklich mutig und habe hundert Schilder zum Besprühen bestellt. Ich hätte nie gedacht, dass wir die loswerden. Und jetzt habe ich gerade 5.000 bestellt."
Tatsächlich sieht man viele dieser Schilder, wenn man durch Omahas Straßen fährt. Alle produzieren Ruth und Jason gemeinsam mit zwei Nachbarn bisher selbst, ehrenamtlich. Jason mit seiner Spraydose und dem abgeschnittenen Eimer, sein Nachbar Tim mit einer Sprühpistole und einer Holzschablone.
Ruth hält die Fäden zusammen, kümmert sich um Bestellungen, Auslieferungen, Spenden. Sie hat sogar gerade eine Kreuzfahrt mit ihrer 93-jährigen Mutter storniert. "Demokratie retten ist jetzt wichtiger", sagt sie - nur halb im Scherz.
Auch die Republikaner kämpfen um den Distrikt
Auch die Republikaner stecken gerade viel Energie und Geld in die Gegend um Omaha. In einer Einkaufszeile haben sie ein Wahlkampfbüro eröffnet. Reden darf dort keiner mit der ARD, aber im Büro des republikanischen Abgeordneten nebenan ist dessen Wahlkampfmanager anzutreffen, Matthew Zacher.
Er berichtet: Auch bei den Republikanern sei viel Enthusiasmus zu spüren. "Schilder wählen nicht. Man muss die Leute an die Wahlurnen bringen. Daher machen wir Haustürwahlkampf, gehen von Tür zu Tür. Außerdem wird es sehr viel Werbung geben, im Fernsehen und per Post. Am Wahltag werden die Menschen hier die Politik wirklich satt haben."
Donald Trump und andere Republikaner hatten im Frühjahr Druck gemacht und den Bundesstaat aufgefordert, die Wahlgesetze so zu ändern, dass auch Nebraska nach dem "Winner takes it all"-Prinzip verfährt. Vergebens.
"Ich spüre so viel Hoffnung hier"
An einem Samstag ist die Straße vor Ruths und Jasons Haus abgesperrt. Etwa 400 Menschen drängen sich zwischen Tischen umher, die meisten tragen blaue T-Shirts, blaue Punkte als Namensschilder und fächeln sich Luft mit "Blue Dot"-Fächern zu. Ruth und Jason haben zu dieser Wahlkampfveranstaltung aufgerufen, verteilen im Anschluss weitere "Blue Dot"-Schilder.
"Ich spüre so viel Hoffnung hier, so viel Freude", strahlt Ruth, während sie von der Ladefläche eines Pickup-Trucks Schild um Schild verteilt: "Die Leute geben sich gegenseitig so viel Energie." Natürlich ist offen, ob es am Ende wirklich auf ihren Distrikt ankommt. Doch sie wollen nichts unversucht lassen, um im Falle des Falles den Ausschlag Richtung Harris zu geben.
Und das Original-Schild, das allererste, das sie gesprüht und in ihren Vorgarten gestellt haben, hat Jason aufgehoben. "Wer weiß", sagt er - "vielleicht steht das ja eines Tages im Museum."