Rechte und Pflichten des US-Vizepräsidenten Marionette oder Machtfaktor?
Barack Obamas Nummer Zwei heißt Joe Biden. Er wird damit der zweitmächtigste Mann der Supermacht USA. Welche Befugnisse hat ein Vizepräsident - und wo sind seine Grenzen?
Von Carsten Schmiester, NDR-Hörfunkstudio Washington
Vier Jahre lang, von 1989 bis 1993, hatten die Amerikaner große Angst um ihren Präsidenten. Wäre George Bush Senior damals etwas zugestoßen, hätte ein Mann den Chefsessel im Weißen Haus geerbt, der heute als Lachnummer in Erinnerung ist: Vizepräsident Dan Quayle.
Dan Quayle: Der Stimmenbeschaffer und Polit-Dilettant
Er war, wenn überhaupt, dann nur durch Dämlichkeiten wie diese aufgefallen: In einer Wahlkampfrede hatte er einmal festgestellt: "Die Frage ist, ob wir vorangehen ins Morgen, oder zurück hinter das Hinten", stammelte Quayle einst und festigte so seinen Ruf als Polit-Dilettant. George Bush senior ist zum Glück nichts passiert, Quayles Vizepräsidentschaft blieb eine solche.
Aber Quayles Amtszeit war doch ein Rückfall in vergangen geglaubte Zeiten, in Zeiten, als die "Nummer Zwei" nur wichtig war im Wahlkampf, um Wählergruppen anzusprechen, die der eigentliche Präsidentschaftskandidat nicht erreichen konnte. Quayle war als jugendliches Gegengewicht zum damals schon eher älteren Bush ins - erfolgreiche - Rennen geschickt worden und durfte sich die nächsten vier Jahre ausruhen, man brauchte ihn nicht mehr.
Mondale und Bush Senior: Die Vollblut-Politiker
Das war unter seinen Vorgängern anders: George Bush Senior, als Vize unter Ronald Reagan, und davor Walter Mondale, Jimmy Carters "Number Two", hatten das von Carter entwickelte Konzept des "Activist Vice President" in die Tat umgesetzt, erklärt der Staatsrechtler Joel Goldstein: "Carter wollte den bis dahin "vergessenen" Vizepräsidenten in die Regierungsarbeit einbinden. Mondale sah sich als ressortübergreifenden Berater und Problemlöser. Carter gab ihm die nötigen Vollmachten - und das Ganze wurde ein Erfolg."
Dick Cheney: Der kaiserliche Vize
Dann kam Dan Quayle, aber gleich danach Al Gore. Unter Clinton machte er das Amt wieder wichtig, um schließlich dem Mann zu weichen, der - wenn er im Januar nach acht Jahren geht - den bisher stärksten, wenn auch nicht unbedingt besten Eindruck hinterlassen dürfte: "Dick Cheney hat George Bush Junior schon bei dessen Wahl im Jahr 2000 geholfen. Da wussten die Leute, dass sich der unerfahrene Bush mit erfahrenen Leuten umgeben würde, die wissen, wie die Welt und Washington funktioniert", erklärt Goldstein.
Cheney hatte lange Zeit erheblichen Einfluss auf die Entscheidungen des Präsidenten, er gilt etwa als Initiator des Irak-Krieges und nebenbei auch als Star-Wars-Kenner: "Einige Leute sehen, was ich so tue und denken, dass ich der 'Darth Vader' dieser Regierung bin", scherzt Cheney gern über sein Image als dunkle Macht im Weißen Haus. "Cheney war der wichtigste und einflussreichste Vizepräsident, den wir jemals hatten. Zum ersten Mal wird von einem kaiserlichen Vizepräsidenten gesprochen. Aber ich denke, dass Cheneys Vizepräsidentschaft langfristig nichts ändern und auch nicht wiederholt werden wird", bilanziert Experte Goldstein.
Nur so mächtig, wie der Boss es wünscht
Kurz: Wer auch immer vom kommenden Januar an das Amt übernimmt, wird wieder die "Nummer Zwei" sein, nicht "Eins B". Wichtig, aber nicht beherrschend, was die Politik im Weißen Haus angeht: "Alle Vizepräsidenten sitzen mit am Tisch. Sie haben ein eigenes Büro im Westflügel, ein wöchentliches Gespräch mit dem Präsidenten. Das ist hier inzwischen Regierungsroutine und wird nicht mehr geändert. Das Maß des Einflusses hängt von zwei Dingen ab: Wie sehr ist der Präsident bereit, auf seinen Vize zu hören und wie gut ist der Rat, den dieser Vize geben kann?", so Goldstein.