Vor Abstimmung über von der Leyen EU-Kritiker könnten Wahl entscheiden
Am Dienstag will sich von der Leyen zur Wahl als EU-Kommissionspräsidentin stellen. Eine Mehrheit ist ihr noch lange nicht sicher. Am Ende könnten die rechten EU-Kritiker den Unterschied machen.
Für Ursula von der Leyen wird die Abstimmung über ihre Kandidatur als EU-Kommissionspräsidentin zur Zitterpartie. Die Anfang Juli von den EU-Staats- und Regierungschefs nominierte deutsche Verteidigungsministerin braucht zur Bestätigung im Parlament nach jetzigem Stand Stimmen von 374 der derzeit 747 Abgeordneten. Scheitert die 60-Jährige bei der Abstimmung, ist sie aus dem Rennen.
Unterstützung hat ihre eigene Parteienfamilie zugesagt, die Europäische Volkspartei (EVP). Die Grünen und die Linken haben bereits abgesagt, die 16 SPD-Abgeordneten ebenfalls. Die Sozialdemokraten aus den anderen EU-Staaten und die Liberalen im EU-Parlament wollen sich erst kurz vor der Wahl festlegen, ob sie der CDU-Politikerin zur Mehrheit verhelfen. Rechte EU-Kritiker könnten damit zum Zünglein an der Waage werden.
Warnung vor Rückgriff auf rechte Stimmen
Der Generalsekretär der Sozialdemokratischen Partei in Europa (SPE), Achim Post, warnte von der Leyen davor, auf Stimmen rechtsnationaler und rechtspopulistischer Parteien im Europaparlament zu setzen.
Vielmehr solle sich von der Leyen klar abgrenzen und "unmissverständlich erklären, dass sie aus der Mitte des Parlaments heraus gewählt werden will", schrieb Post im "Tagesspiegel". Eine Wahl der neuen Leitung der EU-Kommission mit den Stimmen von Rechtsaußen "wäre eine schwere Hypothek für die europäische Demokratie", warnte der SPD-Politiker.
Eine Mehrheit ohne Stimmen aus dem rechten Lager sieht Post allerdings auch nicht. Eine Wahl mit den Stimmen von rechts sei denkbar, weil es wegen der großen Vorbehalte bei Grünen, Linken und den deutschen Sozialdemokraten "höchst zweifelhaft" erscheine, "dass sie eine Mehrheit allein mit den Fraktionen aus der Mitte des Parlaments hinter sich vereinen kann".
Post befürchtet, dass eine Wahl von der Leyen mit Stimmen von rechts eine "Hypothek für die europäische Demokratie".
Wohlwollende Signale von rechts
Rechte EU-Kritiker hatten in den vergangenen Tagen bereits positive Signale gesendet. So sagte Ungarns Außenminister Peter Szijjarto der "Augsburger Allgemeinen", die 13 Abgeordneten der Regierungspartei Fidesz würden für die deutsche Kandidatin stimmen: "Wir werden sicherlich Diskussionen haben, das ist richtig, aber was ich auch weiß, ist: Ursula von der Leyen respektiert die Mitgliedsstaaten."
Auch die rechtsnationale Fraktion EKR mit 62 Sitzen hatte sich zuletzt offen gezeigt, wenn auch noch nicht festgelegt. Stärkste Kraft in der EKR ist die polnische Regierungspartei PiS, die seit Jahren mit der EU-Kommission über Rechtsstaatlichkeit streitet. Man werde zwar nicht in allen Punkten mit von der Leyen übereinstimmen, hatte ein Fraktionssprecher am Freitag gesagt. Aber: "Wir müssen pragmatisch sein." Bis Dienstag werde man sich das überlegen.
Mit ähnlichen Ansagen halten sich bisher auch die rechte Lega und die populistische Fünf-Sterne-Bewegung aus Italien ihr Votum offen.
Weber "noch immer enttäuscht"
Die Fraktionen im EU-Parlament und der EU-Rat hatten nach der Europawahl um die Nominierung eines Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten gerungen. Der ursprüngliche Spitzenkandidat der stärksten Fraktion EVP, Manfred Weber, konnte sich dabei keine ausreichende Unterstützung sichern. In der Folge nominierten die Staats- und Regierungschefs der EU von der Leyen als Nachfolgerin von Jean-Claude Juncker.
In der "Augsburger Allgemeinen" kritisierte Weber die Umstände seiner Niederlage im Rennen um den Posten. Er sei "noch immer tief enttäuscht", sagte der CSU-Politiker. "Was weh tut, ist die persönliche Diskreditierung, die ich erfahren habe." Er bekomme aber auch "positive Rückmeldungen und Ermutigung".
EVP-Spitzenkandidat Weber konnte im Europaparlament keine Mehrheit hinter sich bringen.
"Sozialdemokraten und Liberale haben Parlament geschwächt"
Weber gab den Sozialdemokraten und Liberalen eine Mitschuld am Machtverlust des Europaparlaments im Kampf um die neue EU-Kommissionsspitze. "Die Tatsache, dass Sozialdemokraten und Liberale im Europaparlament nicht den Führungsanspruch der stärksten Partei, nämlich der EVP, akzeptiert haben, hat das Parlament geschwächt", sagte er dem "Straubinger Tagblatt". Dies sei eigentlich eine "Selbstverständlichkeit im demokratischen Miteinander".
Um ein ähnliches Gezerre künftig zu verhindern, will Weber nun eine verbindliche Festlegung auf das Prinzip, dass nur Spitzenkandidaten zur Europawahl Kommissionschef werden sollen. Die kommenden fünf Jahre müssten "die Legislaturperiode der Demokratisierung und Parlamentarisierung Europas" sein, schrieb Weber in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".