Von der Leyen bei Fraktionen Auf Werbetour in Brüssel
Werbung in eigener Sache ist von der Leyen nicht fremd, aber heute muss sie sich besonders ins Zeug legen: Um zur EU-Kommissionschefin gewählt zu werden, will sie die Fraktionen im Europaparlament von sich überzeugen.
Eine knappe Woche bleibt Ursula von der Leyen noch, um das Europaparlament von sich zu überzeugen. Nun ist ihr Werbung in eigener Sache nicht ganz fremd, aber ein Selbstläufer dürfte ihre Wahl zur EU-Kommissionspräsidentin dennoch nicht werden. Zu groß ist der Ärger bei vielen Abgeordneten über das intransparente Auswahlverfahren der Staats- und Regierungschefs. Schließlich übergingen sie dabei die Vorgabe einer Mehrheit im EU-Parlament, nur einen der Spitzenkandidaten zur Europawahl zum Kommissionschef zu wählen, also CSU-Vize Manfred Weber von der Europäischen Volkspartei oder den niederländischen Sozialdemokraten Frans Timmermans.
Öffentliche Anhörung bei den Grünen
Vor allem bei den Sozialdemokraten ist der Unmut laut. Hier hat die CDU-Politikerin gleich vormittags einen Termin, es folgen die liberale Fraktion und am späten Nachmittag die Abgeordneten der Grünen. Am Nachmittag steht auch ein Treffen mit dem frischgewählten EU-Parlamentspräsidenten, David Sassoli, sowie allen Fraktionsvorsitzenden auf dem Programm. Das Gremium entscheidet als sogenannte Konferenz der Präsidenten über die Tagesordnung des Parlaments. Die Abstimmung über von der Leyen ist nach bisherigem Stand für den 16. Juli angesetzt.
Bei den Grünen hat von der Leyen Gelegenheit, sich erstmals öffentlich über Pläne und Ziele im Fall ihrer Wahl zur Präsidentin der Europäischen Kommission zu äußern. Die Anhörung soll ab 16.30 Uhr im Internet übertragen werden. "Bevor wir uns als Abgeordnete zu ihr positionieren, wollen wir sie kennenlernen und die Öffentlichkeit daran teilhaben lassen", sagte der Grünen-Politiker Sven Giegold.
Ein "sehr netter Austausch"
Mit der Fraktionsspitze der Grünen hatte sich von der Leyen bereits am Montag getroffen. Fraktionschefin Ska Keller sprach danach von einem "sehr netten Austausch", wollte sich aber noch nicht festlegen. Man habe in dem Gespräch klar gemacht, dass es etwa beim Klimaschutz und der Seenotrettung klare Zusagen brauche. Da die EU-Kommission unter anderem neue Gesetze für die Staatengemeinschaft vorschlägt, hat sie großen Einfluss auf die Gestaltung der europäischen Politik. Keller forderte von der Leyen zudem dazu auf, das Spitzenkandidaten-Prinzip für die nächste Europawahl zu stärken.
Am Dienstag hatte die deutsche Verteidigungsministerin bei der Fraktion der europäischen Konservativen (EKR) um die polnische Regierungspartei PiS für sich geworben. Man habe mit von der Leyen über ihr Regierungsprogramm und da insbesondere über Sicherheit, Flüchtlinge, die Einhaltung von Recht und Gesetz sowie den Brexit gesprochen, teilte die EKR nach dem Treffen in Brüssel mit. "Es gibt eindeutig einige Punkte, wo man übereinstimmt - bei anderen aber nicht", sagte EKR-Co-Chef Raffaele Fitto. Der Umstand, dass von der Leyen nicht als eine der Spitzenkandidaten der Parteien bei der EU-Wahl angetreten war, spreche nicht gegen sie.
Die EKR mit 62 Abgeordneten vereint konservative bis nationalistische Parteien. Neben der PiS gehören auch die britischen Tories, die rechtspopulistischen Schwedendemokraten und Vox aus Spanien dazu.
Europas Sozialdemokraten auf Distanz zur SPD
Größter Brocken für von der Leyen dürften aber die Sozialdemokraten sein, wobei der Widerstand gegen die CDU-Politikerin bei den deutschen Genossen am ausgeprägtesten ist. Die SPD stellt mit 16 Abgeordneten aber nur noch die drittgrößte Gruppe in der Fraktion, nach den Italienern und den Spaniern. Diese Abgeordneten fühlen sich dem von den Regierungen der EU-Staaten verhandelten Personalpaket weitaus stärker verpflichtet. Der italienische Sozialdemokrat Sassoli wurde bereits zum neuen EU-Parlamentschef gewählt; der spanische Sozialist Josep Borrell ist für die Position des EU-Außenbeauftragte vorgesehen.
Entsprechend schließen die europäischen Sozialdemokraten eine Wahl von der Leyens nicht aus. Sie wolle von der Leyens Eignung für die Spitzenposition "nicht beurteilen, bevor wir ihr zugehört haben", sagte die Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Iratxe Garcia, kürzlich in einem Interview. Die Spanierin ging damit auf Distanz zur SPD. Zwar spreche es nicht für von der Leyen, dass die Regierungen Italiens und der Visegrad-Staaten Polen, Tschechien, Ungarn und Slowakei ihre Nominierung unterstützt hätten. "Wir werden die Person aber nicht beurteilen, bevor wir ihr zugehört haben", sagte Garcia weiter.
Die Stimmen der europäischen Sozialdemokraten, die die zweitgrößte Fraktion im EU-Parlament stellen, sind entscheidend für die Wahl von der Leyens. Die konservative Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) geht trotz der ablehnenden Haltung der SPD davon aus, dass die Mehrheit der europäischen Sozialdemokraten der deutschen Kandidatin ihre Stimme geben wird.
Von der Leyen braucht bei der Abstimmung im Parlament eine absolute Mehrheit der Stimmen. Im Plenum mit insgesamt 751 Abgeordneten wären das 376 Parlamentarier, wobei nur die gültigen Stimmen gezählt werden und nicht klar ist, ob alle Abgeordneten vertreten sein werden. Christdemokraten, Sozialisten und Liberale kommen zusammen auf 444 Sitze. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass die Fraktionen geschlossen für von der Leyen stimmen.
Ein Brüsseler Büro hat von der Leyen bereits. Seit ihrer Nominierung ist sie "Sonderberaterin" der EU-Kommission.