Großbritannien Diese Wahl entscheidet alles - oder nichts
Die Wahl in Großbritannien läuft. Die Wahllokale in den 650 Wahlkreisen sind bis 23 Uhr geöffnet, aus London wird ein starker Andrang berichtet. Es ist die dritte Wahl in fünf Jahren. Ob sie dieses Mal klare Verhältnisse bringt?
Bei der Parlamentswahl in Großbritannien ist der Andrang in einigen Wahllokalen in London ungewöhnlich groß. Vielerorts bildeten sich Schlangen, die Menschen wollten ihre Stimme am Morgen auf dem Weg zur Arbeit abgeben. "Es ist 20 mal so viel los wie 2017", meinte ein Wähler. "Die Atmosphäre ist typisch London: alle stehen in einer ordentlichen Reihe und niemand spricht mit dem anderen."
Favoriten wählen am Morgen
Am Morgen gaben auch die beiden Hauptrivalen dieser Wahl ihre Stimme ab: Premier Boris Johnson kam mit Hund Dilyn in ein Wahllokal in der Nähe seines Amtssitzes in der Downing Street. Das ist insofern ungewöhnlich, als der Premierminister sonst in seinem heimatlichen Wahlkreis seine Stimme abgibt - wo es ohnehin ziemlich knapp zugeht für Johnson. 2017 hatte er seinen Sitz nur mit gut 5000 Stimmen Vorsprung gewonnen.
Jeremy Corbyn von der Labourpartei trat im Londoner Stadtteil Islington an die Wahlurne - wie auch Johnson äußerte er sich nicht politisch vor den laufenden Kameras.
Jeremy Corbyn und seine Labourpartei hoffen auf einen gelungenen Schlussspurt.
Entscheidende Wahl
Die Wahl gilt als entscheidend für Großbritannien. Boris Johnson erhofft sich von ihr endlich eine Mehrheit im Parlament, um den Brexit realisieren zu können. Tatsächlich seien viele Briten dieses Themas überdrüssig - und Johnsons Slogan "Get Brexit done" verfange selbst bei ehemaligen Labourwählern, berichtet ARD-Korrespondentin Julie Kurz aus London. Überhaupt habe das Thema die traditionellen Lager aufgebrochen, es gebe noch viele Unentschlossene.
Eine Chance für Labour?
Das könnte die Chance für Labourchef Corbyn sein. Er hatte neben dem Brexit vor allem auf soziale Themen (etwa den Zustand des Gesundheitssystems NHS) gesetzt - und damit offenbar auf das richtige Pferd. Denn zuletzt hat Labour in den Umfragen leicht aufgeholt.
Es werde also entscheidend darum gehen, welches Thema den Menschen mehr auf den Nägeln brennt: der Brexit oder der NHS, meint ARD-Korrespondentin Kurz.
Wovor alle Angst haben, ist ein erneutes "hung parliament", ein Parlament ohne klare Mehrheit, das den Stillstand in der britischen Politik nur weiter zementieren dürfte.
Wahl zwischen Pest und Cholera
Es geht um alles, doch Begeisterung kommt nicht auf. Diese Wahl, so meinen viele Wähler, sei eine Wahl zwischen Pest und Cholera, so Kurz. Hier ein Johnson, dem viele Menschen mit seiner schlitzohrigen Hemdsärmeligkeit nicht trauen, da ein Corbyn, der für viele ein linkes Wolkenkuckucksheim verspricht.
Der jüngsten Erhebung vom Mittwochabend zufolge kämen Johnsons Tories auf 41 Prozent der Wählerstimmen und die oppositionelle Labour-Partei auf 36 Prozent. Ob dies für eine Mehrheit der Sitze reichen würde, blieb offen.
Johnson will Großbritannien am 31. Januar aus der Europäischen Union führen. Dazu muss das Unterhaus aber dem von ihm mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag noch zustimmen. Johnson hat die Wahl vorgezogen, nachdem er mit seinem Vertrag im Parlament gescheitert war. Labour hat im Fall eines Wahlsiegs ein zweites Referendum zum Brexit angekündigt.
Die Wahllokale schließen um 23 Uhr deutscher Zeit. Erste Prognosen gibt es unmittelbar danach.