Nach Parlamentswahl in Großbritannien Neue Regierung will wieder engeren Handel mit EU
Die neue britische Regierung will die Wirtschaftsbeziehungen zur EU wieder deutlich verbessern. Handelsminister Reynolds spricht von Pragmatismus. Inzwischen ist auch der letzte Wahlkreis ausgezählt.
Die neue britische Regierung will in Handelsfragen enger mit der EU zusammenarbeiten. Das sagte Handelsminister Jonathan Reynolds dem Sender Sky News. Großbritannien und die Europäische Union hätten beispielsweise dieselben Lebensmittelstandards. "Wenn wir mehr Whisky und Lachs auf einem für uns so wichtigen Markt verkaufen können, dann sollten wir solche Möglichkeiten ausloten."
Der Politiker der sozialdemokratischen Labour-Partei machte die konservative Vorgängerregierung für Probleme im Handel verantwortlich. "Um ehrlich zu sein, liegt es sehr im nationalen Interesse Großbritanniens, eine Beziehung zu Europa aufzubauen, die nicht von der internen Politik der Konservativen Partei bestimmt wird", sagte Reynolds.
Reynolds setzt auf Pragmatismus
EU-Diplomaten und deutsche Wirtschaftsvertreter hatten immer wieder die Starrköpfigkeit der abgewählten Regierung kritisiert. Reynolds deutete nun "vernünftige, pragmatische" Lösungen an, etwa bei der gegenseitigen Anerkennung beruflicher Qualifikationen oder Visaregeln für Künstler und Musiker. Es mache Sinn, solche Hürden zu beseitigen.
Eine Rückkehr in die EU schloss der Wirtschaftsminister erneut nachdrücklich aus. "Wir sind nicht offen für die Freizügigkeit von Personen, das ist Teil einer EU-Mitgliedschaft, und das werden wir nicht wieder aufgreifen", sagte Reynolds. Grundsätzlich liege aber eine enge Zusammenarbeit im gegenseitigen Interesse der Europäischen Union und des Vereinigten Königreichs.
Großbritannien war Ende Januar 2020 aus der EU ausgetreten und ist seit 2021 auch nicht mehr Mitglied der EU-Zollunion und des Binnenmarkts. Trotz eines Freihandelsabkommens gibt es seitdem Hürden im bilateralen Warenaustausch.
Letzter Wahlkreis ausgezählt
Die Unzufriedenheit der Briten mit der wirtschaftlichen Gesamtlage im Vereinigten Königreich gilt als ein Grund für das Ergebnis der Parlamentswahl. Die Tories des abgewählten Premierministers Rishi Sunak erlitten ein Debakel - sie kommen mit 121 Sitzen auf so wenige wie nie zuvor.
Mit der Auszählung des letzten Wahlkreises in Schottland steht inzwischen das Ergebnis endgültig fest. Das Mandat dort, in Inverness, Skye and West Ross-shire, geht an Angus MacDonald von den Liberaldemokraten, die damit nun 72 Abgeordnete stellen - so viele wie noch nie. Die Stimmen mussten wegen statistischer Unklarheiten zweimal nachgezählt werden.
Damit muss auch die Schottische Nationalpartei (SNP) eine herbe Enttäuschung verkraften. Sie schickt nur noch neun Abgeordnete ins Unterhaus in London. Zuvor waren es 48. Das SNP-Resultat ist auch ein Rückschlag für die Befürworter einer Unabhängigkeit von Großbritannien.
Mehrzahl der Abgeordneten neu im Unterhaus
Der große Wahlgewinner, Keir Starmers Labour-Partei, ist mit insgesamt 412 Abgeordneten im Unterhaus in London vertreten. Die rechtspopulistische Partei "Reform UK" von Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage zieht mit fünf Mitgliedern erstmals ins Parlament ein. Die Grünen und die walisische Unabhängigkeitspartei Plaid Cymru halten jeweils vier Mandate.
Mehr als die Hälfte der insgesamt 650 Abgeordneten sitzt zum ersten Mal im Unterhaus. Mit 40 Prozent ist der Frauenanteil so hoch wie noch nie. Den scherzhaften Titel "Baby of the House" für den jüngsten Parlamentarier trägt der 22-jährige Sam Carling von der Labour-Partei.