Der neue NASA-Marsroboter "Perseverance"
Interview

NASA-Wissenschaftsdirektor Zurbuchen "Was passierte auf dem Mars?"

Stand: 29.12.2020 03:20 Uhr

Asteroidenabwehr im All und Marslandung: Im kommenden Jahr stehen vielversprechende Missionen in den Weltraum an. NASA-Wissenschaftsdirektor Thomas Zurbuchen erläutert im Interview ihre Bedeutung für die Wissenschaft.

tagesschau.de: Worauf freuen Sie sich als Wissenschaftsdirektor der NASA mit Blick auf 2021 am meisten?

Thomas Zurbuchen: Wir haben acht Missionen, die nächstes Jahr von der Erde starten. Das ist unglaublich - es wird ein Jahr der Wissenschaft. So soll etwa das James-Webb-Weltraumteleskop in den Weltraum gebracht werden. Das ist eine Mission, an der wir zusammen mit den Europäern und den Kanadiern 20 Jahre gearbeitet haben. Und dann gibt es die DART-Mission, das ist ein Kollisionsexperiment mit einem himmlischen Körper.

Thomas Zurbuchen
Zur Person

Thomas H. Zurbuchen ist seit 2016 Wissenschaftsdirektor der NASA. Zuvor war er Professor für Weltraumforschung und Raumfahrttechnik an der University of Michigan. Der schweizerisch-US-amerikanische Astrophysiker ist in der Schweiz aufgewachsen und hat an der Universität Bern Astrophysik studiert, bevor er in die USA wechselte.

tagesschau.de: Bei der DART-Mission geht es darum, die Erde vor einem Asteroideneinschlag zu schützen, indem die NASA eine Sonde testweise auf einem Asteroiden einschlagen lässt.

Zurbuchen: Ganz genau. Wir wollen lernen, wie wir Asteroiden ablenken könnten, bevor sie hier auf der Erde einschlagen und große Krater hinterlassen. Wir werden die sogenannte DART-Sonde auf Didymos einschlagen lassen, das ist ein kleiner Mond. So wollen wir sehen, ob wir ihn ablenken oder zerstören könnten.

tagesschau.de: Diese Mission ist ja gekoppelt mit einer Folgemission der ESA, der sogenannten HERA-Mission. Eine weitere Sonde soll den Einschlag der NASA-Sonde vermessen. Warum ist das so wichtig?

Zurbuchen: Eigentlich würde man sagen, wenn eine Sonde auf einem Asteroiden einschlägt, ist das Physik in der ersten Unterrichtsstunde. Eine Kugel trifft eine andere Kugel. Aber das Problem ist: Diese Asteroiden sind ganz anders als einfache Stahlkugeln. Viele sind wie ein Stein, andere sind wie Geröllhaufen oder wie Sand am Strand. Darum ist die Frage, wenn die Sonde auf dem Asteroiden einschlägt: Was passiert? Es ist unglaublich wichtig, dies mit der HERA-Sonde haargenau zu sehen und zu vermessen. Wie stark und warum lenken wir den Asteroiden um?

ESA-Illustration eines möglichen Einschlags auf dem Mond Didymos

Einschlag auf Didymos - so könnte die danach aufsteigende Wolke nach einer EASA-Illustration aussehen.

Forschung im ausgetrockneten Seebett

tagesschau.de: Im Februar soll die NASA-Sonde "Perseverance" auf dem Mars landen. Was ist ihre Aufgabe?

Zurbuchen: Wir landen an einem ganz speziellen Ort, einem Krater, der ein ausgetrocknetes Seebett ist. Dort entnehmen wir mit dem Rover kleine Proben, um herauszufinden, ob dort fossiles Leben ist. Wir wissen: Vor drei Milliarden Jahren hatten die drei Planeten Erde, Mars und Venus viel mehr Ähnlichkeit miteinander als heute. Zum Beispiel hatte der Mars wie die Erde ein Meer. 70 Prozent der Erdoberfläche besteht ja aus Meer. Auf dem Mars war es weniger, aber immerhin fast 50 Prozent. Die Frage ist: Was passierte auf dem Mars?

tagesschau.de: US-Präsident Donald Trump hatte das ehrgeizige Ziel ausgerufen, dass die Amerikaner 2024 mit der ersten Frau auf dem Mond landen. Damit hätte Trump seine erhoffte zweite Amtszeit sozusagen "gekrönt". Wird unter dem gewählten Präsidenten Joe Biden dieser Kurs beibehalten?

Zurbuchen: Ich möchte, dass wir so schnell wie möglich mit internationalen Partnern zum Mond fliegen. Es ist ganz klar: Wir wollen zum Mond und dann zum Mars. Ich habe vor vier Jahren unter dem Führungsteam von Präsident Barack Obama gearbeitet. Und ich muss Ihnen sagen: Das war damals auch schon der Plan - zum Mond und zum Mars. Obwohl das danach in der Presse als eine Riesenänderung unter Trump diskutiert wurde. Was anders war: Das Führungsteam im Weißen Haus, insbesondere Vizepräsident Mike Pence, hat wirklich persönliches Interesse gezeigt.

Illustration der NASA-Sonde Perseverance und ihres Hitzeschildes unterwegs im All.

Das Hitzeschild der NASA-Sonde "Perseverance" soll die Sonde während ihrer Reise zum Mars schützen.

Forschen - am besten abgestimmt

tagesschau.de: 2021 wird das deutsche Weltraumradar GESTRA an den Start gehen, um Weltraumschrott zu orten. Wäre es nicht wichtig, dass die Länder gemeinsame Standards festlegen? Schließlich hat Indien erst vergangenes Jahr zu Testzwecken und als Machtdemonstration mit einer Rakete einen eigenen Satelliten abgeschossen und unzählige Trümmerteile produziert.

Zurbuchen: Was die Inder gemacht haben, war militärisch und eine Reaktion auf eine Aktion Chinas. Beide Länder liegen auf der gleichen Seite der Erdhalbkugel. Der Unterschied war, dass die Chinesen ihren Satelliten auf über 600 Kilometer Höhe, die Inder ihren Satelliten aber viel niedriger abgeschossen haben. Wir Amerikaner haben unseren Satelliten noch niedriger ins Visier genommen, weil wir sicher gehen wollten, dass der Schrott so schnell wie möglich verglüht.

Tatsache ist: Es gibt viele Dinge, die die Länder dürfen, die aber nicht gut für alle sind. Die Diskussion, nach welchen Standards wir uns im Weltraum verhalten, ist unglaublich wichtig auf einer internationalen Basis. Es ist jetzt wichtig, dass sich Amerika und Europa zusammentun und gemeinsam helfen, diese Standards zu setzen. Und natürlich müssen wir uns dann auch selbst an die Standards halten. 

Das Gespräch führte Ute Spangenberger für tagesschau.de