Wetterphänomen in Südostasien Mit El Niño kommt die Hitze
Das Phänomen El Niño sorgt für Wetterextreme im Pazifikraum. Experten warnen vor den Folgen - insbesondere die Landwirtschaft könnte schwer darunter leiden.
Vu Thi Phuong schwitzt am ganzen Körper, während sie ihren Getränkeverkaufswagen durch die Straßen Hanois schiebt. Die Hitze sei kaum auszuhalten, sagt sie: "Manchmal habe ich das Gefühl, mitten auf der Straße ohnmächtig zu werden."
Schon im Mai kletterten die Quecksilberbalken in den Thermometern auf 44,1 Grad Celsius. Laut den nationalen Behörden ist das die höchste jemals in Vietnam gemessene Temperatur. Neue Hitzerekorde in der Region meldeten auch Laos, Thailand und Myanmar.
Alle Zeichen auf El Niño
Klimaforscher beobachten zudem seit Monaten eine steigende Wasseroberflächentemperatur im Pazifik und drehende Passatwinde. Für die Expertinnen und Experten sind das deutliche Anzeichen für einen beginnenden El Niño.
Das Klimaphänomen tritt in unregelmäßigen Abständen etwa alle zwei bis sieben Jahre auf. Dabei wirbeln veränderte Luft- und Meeresströmungen das Wetter durcheinander - mit Auswirkungen, die weltweit spürbar sind.
Dürreperiode in Südostasien steht bevor
Während sich die Westküste Südamerikas auf Starkregen, Zyklonen und Überschwemmungen einstellt, droht Südostasien und Ozeanien ein gegenteiliger Effekt. Mark Howden, Leiter des Instituts für Klima, Energie und Katastrophenlösungen an der University of Australia, rechnet mit einer extremen Trockenheit.
"Wir sprechen dabei nicht einfach nur von geringeren Niederschlägen. Es handelt sich um Dürren, die verbunden mit Hitzewellen und vermehrten Bränden auftreten. Die Wasserstände werden zurückgehen und die Wasserqualität nimmt ab. Gleichzeitig steigt das Risiko für Erdrutsche und Erosionen." Howden ist davon überzeugt, dass der Klimawandel den El Niño verstärkt und die Auswirkungen dadurch extremer werden.
Ernteausfälle und steigende Lebensmittelpreise erwartet
Landwirte in der Region versuchen sich auf El Niño vorzubereiten. So auch der australische Viehbauer Garry Grant. Seine Weiden nahe Canberra seien schon ähnlich stark ausgetrocknet wie zuletzt in den Dürrejahren vor Corona, erzählt er einem Kamerateam von Sky News. Er hat deshalb schon früher als sonst angefangen, seine Rinder zu verkaufen. Damit sei er nicht allein: "Bei den Viehverkäufen sehen wir, dass viele Leute ihre Bestände bereits reduzieren."
Rohstoffexperten gehen davon aus, dass die Weizenernte in Down Under wegen El Niño deutlich geringer als sonst ausfallen wird. Dabei zählt Australien zu den weltweit größten Exporteuren des Grundnahrungsmittels. Gleichzeitig warnt das Datenverarbeitungsunternehmen Fitch Solutions mit Sitz in Singapur in einem aktuellen Bericht vor der größten Reisknappheit seit 20 Jahren, sollte El Niño stark werden.
Der Vorsitzende des Thailändischen Verbandes der Reisexporteure, Ravisak Vanichjakvong, betont im chinesischen Fernsehen: "Wir behalten Indonesien, die Philippinen, Thailand und insbesondere Indien im Auge." Magere Ernten drohen auch den indonesischen Kakaobauern und malaysischen Betreiben von Palmöl-Plantagen. Kaffeeproduzenten in Vietnam planen in El-Niño-Jahren mit 20 Prozent weniger Erträgen. Ökonomen rechnen mit steigenden Lebensmittelpreisen.
Angst vor starker Luftverschmutzung
Gleichzeitig wächst die Sorge vor gesundheitlichen Einschränkungen. Erdrutsche, Überschwemmungen und Dürren steigern das Risiko für Infektionskrankheiten. Waldbrände, wie es sie in der Vergangenheit insbesondere in Indonesien, Papua-Neuginuea und Australien gab, können auch in den Nachbarländern für Smog und Rauch sorgen - eine häufige Ursache für Atemwegserkrankungen.
Die Warnsysteme der betroffenen Länder haben schon vor Wochen angeschlagen. Immer wieder werden die Menschen öffentlich darauf hingewiesen, sich auf die Hitze und deren Folgen einzustellen. Singapurs Regierung rät der Bevölkerung etwa, sich mit Masken und Luftreinigern zu bevorraten und selten das Haus zu verlassen. In Thailand mahnen die Behörden, schon jetzt Wasser zu sparen.
Langfristiger Einbruch der Weltwirtschaft prognostiziert
Laut Howden ist noch ungewiss, wie lang El Niño andauern wird. Neun bis zwölf Monate waren in der Vergangenheit üblich. Dabei sind die globalen Kosten deutlich höher als bislang vermutet. In einer neuen Studie kommen die beiden Wissenschaftler des Dartmouth College, Christopher Callahahn und Justin Mankin, zu dem Ergebnis: El Niño kann für einen Rückgang des weltweiten Wirtschaftswachstums von 3,8 bis 5,3 Billionen Euro sorgen. Entscheidend dabei ist die Intensität des Klimaphänomens in den kommenden Monaten.
Wie stark El Niño tatsächlich wird, ist noch nicht absehbar. Es steht aber fest: Die Auswirkungen von El Niño werden wohl noch Jahre später zu spüren sein - nicht nur in Südostasien, Australien und Neuseeland.