Missbrauch im Erzbistum München Gutachten belastet Papst Benedikt XVI.
Der emeritierte Papst Benedikt XVI. ist in einem Missbrauchsgutachten des Erzbistums München und Freising schwer belastet worden: Er habe als damaliger Münchner Erzbischof in vier Fällen nichts gegen des Missbrauchs beschuldigte Kleriker unternommen.
Ein unabhängiges Gutachten zu Missbrauchsfällen im katholischen Erzbistum München und Freising belastet den emeritierten Papst Benedikt XVI. schwer. Die begutachtenden Anwälte werfen ihm in vier Fällen während seiner Amtszeit als Erzbischof (1977-1982) Fehlverhalten vor.
Rechtsanwalt Martin Pusch wies zugleich darauf hin, dass das emeritierte Kirchenoberhaupt in einer persönlichen Stellungnahme dies in allen Fällen zurückgewiesen habe. Seine Stellungnahme ist mit seiner Einwilligung mit dem Gutachten veröffentlicht worden.
Nach Puschs Ausführungen betreffen zwei Fälle Priester, die unter Erzbischof Joseph Ratzinger wegen Missbrauchs strafrechtlich sanktioniert worden waren, aber beide weiter als Seelsorger arbeiten durften. Kirchenrechtlich sei gegen sie nicht vorgegangen worden, von Fürsorge gegenüber ihren Opfern "nichts erkennbar". Benedikts Einlassungen bieten aus Sicht der Anwälte "einen authentischen Einblick" zur persönlichen Haltung eines herausgehobenen Kirchenvertreters zum Missbrauchsgeschehen.
Zweifel äußerte Pusch an der in einigen Fällen von Benedikt XVI. behaupteten Unkenntnis. Diese sei mit den aus den Akten gewonnenen Erkenntnissen bisweilen kaum in Einklang zu bringen.
Insgesamt 497 Missbrauchsopfer im Erzbistum München
Das externes Gutachten zu Missbrauchsfällen im katholischen Erzbistum München und Freising hat insgesamt Hinweise auf mindestens 497 Betroffene sexualisierter Gewalt gefunden. Das von der Münchner Anwaltskanzlei Westphal Spilker Wastl vorgestellte Gutachten hat Missbrauchsfälle aus den Jahren 1945 bis 2019 untersucht, um Hinweise auf systemische Ursachen und Verantwortlichkeiten in der Leitung des Erzbistums zu finden.
Nach Angaben der Gutachter waren 247 Opfer männlich, 182 Opfer weiblich, in 68 Fällen sei eine Zuordnung nicht möglich gewesen, sagte Pusch. 60 Prozent der betroffenen Jungen waren zwischen acht und 14 Jahre alt. Pusch betonte, die Zahlen deckten nur das Hellfeld ab. Die Kanzlei gehe von einem weitaus größeren Dunkelfeld aus.
Das Gutachten umfasst neben den Amtszeiten hochrangiger Kardinäle wie Joseph Ratzinger, heute auch Reinhard Marx, der seit 2008 an der Spitze der Diözese steht.
Eigentlich sollte das 1600 Seiten starke Gutachten bereits im vergangenen Jahr erscheinen, die Veröffentlichung wurde aber wegen neuer Erkenntnisse auf Januar verschoben. Marx, der nicht an der Pressekonferenz zur Vorstellung des Gutachtens teilnahm, wollte am Nachmittag in München ein Statement abgeben.