Reaktionen auf EU-Türkei-Gipfel Nur ein Zwischenschritt
Der Ausgang des EU-Türkei-Gipfels ruft sehr unterschiedliche Reaktionen hervor. Während sich die Bundesregierung hoffnungsfroh zeigt, bald einen Durchbruch in der Flüchtlingskrise zu erringen, dämpft Griechenland die Euphorie. Auch aus der Bundespolitik kommen kritische Töne.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier sieht nach dem EU-Sondergipfel mit der Türkei Chancen für eine baldige gemeinsame Linie in der Flüchtlingspolitik. Durch die Gespräche sei nun "auf dem nächsten europäischen Gipfel eine Verständigung möglich geworden", sagte der SPD-Politiker bei einem Besuch im Golfstaat Oman. Zuvor müssten noch "weitere Details" geklärt werden. Das nächste Treffen der Staats- und Regierungschefs aus allen 28 EU-Staaten findet am 17. und 18. März statt.
In den vergangenen Wochen seien mehrfach nationale Alleingänge gepriesen und europäische Lösungen als unmöglich beschrieben worden, sagte Steinmeier. Nun aber habe sich gezeigt: "Europäische Lösungen sind nicht ausgeschlossen. Im Gegenteil: Wir bewegen uns auf sie zu." Zu den neuen Forderungen aus Ankara sagte er, die Türkei sei "Schlüsselland" zur Lösung der Flüchtlingskrise. "Deshalb müssen Verabredungen mit der Türkei sein."
Frank-Walter Steinmeier (SPD): Hofft auf baldige Lösung
Tsipras warnt vor zu viel Euphorie
Bei dem Gipfel mit dem türkischen Regierungschef Ahmet Davutoglu ging es um ein umfassendes Paket, um die Zuwanderung von Flüchtlingen nach Europa zu begrenzen. Davutoglu überraschte dabei mit weitgehenden Plänen, die viele EU-Chefs unvorbereitet trafen. So fordert die Türkei nicht nur drei Milliarden Euro mehr als bisher, sondern auch beschleunigte Verhandlungen über einen EU-Beitritt. Im Gegenzug will Ankara unter anderem sämtliche neuen Flüchtlinge aus Griechenland zurücknehmen.
Das wäre eine deutliche Entlastung für Griechenland, das europaweit wohl am meisten unter der Flüchtlingskrise ächzt. Doch Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras warnte vor zu großer Euphorie. Die Ergebnisse des Krisentreffens seien lediglich ein Schritt nach vorn, sagte er in Brüssel. Es müssten jedoch zahlreiche Schritte unternommen werden. "Die heutigen Bilder aus Idomeni, von unserer nördlichen Grenze, sind tragisch", sagte Tsipras weiter. Es sei ein großer Fehler zu glauben, dieses Problem betreffe nur die Migranten und die Länder, die sie passierten.
Wenn die EU diesen Fehler weiterhin begehe, seien die Folgen gravierend, sagte Tsipras. Wegen strikter Kontrollen Mazedoniens an der Grenze zu Griechenland sitzen nahe des griechischen Grenzorts Idomeni Tausende Migranten auf dem Weg nach Nordwesten fest.
"Die EU ist erpressbar"
In der Bundespolitik stehen unterdessen die neuen Forderungen der Türkei im Fokus. Unionsfraktionschef Volker Kauder warnte im ARD-Morgenmagazin davor, der Türkei in den EU-Verhandlungen zu viele Zugeständnisse zu machen. "Jetzt werden auch bei der Türkei nicht alle Wünsche in Erfüllung gehen", sagte er. Kauder betonte, bei den Verhandlungen mit Ankara dürften die Themen Menschenrechte und Religionsfreiheit nicht an letzter Stelle stehen.
Die Linke wirft der EU vor, sich von der Türkei erpressen zu lassen. "Die Türkei zelebrierte beim EU-Gipfeltreffen offen ihre Machtposition", sagte Parteichef Bernd Riexinger der Nachrichtenagentur dpa. "Die EU ist aufgrund ihrer Uneinigkeit in der Flüchtlingsfrage erpressbar." Darüber hinaus warf Riexinger den Verhandlern in Brüssel vor, die Gewalt gegen Demonstranten und Journalisten in der Türkei ignoriert zu haben. "Die Gräben innerhalb der EU-Mitgliedstaaten traten angesichts der Forderung Erdogans nach weiteren Milliarden für das Outsourcing der Flüchtlingsabwehr offen zutage. Diese EU ist keine Solidargemeinschaft", sagte der Linken-Chef.