Proteste in den USA Was dürfen die Männer in den Tarnuniformen?
Präsident Trump will weiterhin Sicherheitskräfte des Bundes in US-Städte entsenden - trotz massiver Kritik auch aus den eigenen Reihen. Wer sind diese Truppen, die wie Militärs aussehen? Welche Befugnisse haben sie?
Männer in Tarnuniformen, die sich wie Soldaten verhalten und aus Gruppen Protestierender heraus einzelne Personen festnehmen, um sie in Fahrzeugen ohne Kennzeichen wegzubringen. Solche Bilder aus Portland im US-Bundesstaat Oregon beunruhigen viele in den USA.
Die Einsatzkräfte tauchten ohne Ankündigung in Portland auf.
Zur Eindämmung der Proteste nach dem Tod von George Floyd erschienen Uniformierte teils ohne Erkennungszeichen zunächst auf den Straßen Washingtons. Dann tauchten am Nationalfeiertag Sicherheitskräfte des Bundes in Portland und Seattle auf. Nun kündigte US-Präsident Donald Trump an, Kräfte auch nach Chicago, New York und weitere Städte zu schicken, in denen die Demokraten nicht in der Lage seien, Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten.
Welche Sicherheitskräfte sind im Einsatz?
In US-Medien werden die Sicherheitskräfte "federal agents", "federal force", "federal officers" oder als Abkürzung auch "feds" genannt. Sie sind der Bundesregierung in Washington zugeordnet und werden auf Anordnung von US-Präsident Donald Trump in die Bundesstaaten entsandt.
In Portland sind für Grenzschutz zuständige Einheiten im Einsatz, die dem Heimatschutzministerium unterstellt sind. Das Ministerium entstand 2002 unter dem Eindruck der Anschläge vom 11. September und soll die Bevölkerung vor Terror und anderen Gefahren schützen. Bei einer Pressekonferenz präsentierte der kommissarisch amtierende Heimatschutzminister Chad Wolf Schutzwesten der in Portland aktiven Sicherheitskräfte, die mit Aufnähern der Grenzpolizei versehen waren.
Schutzwesten von Einheiten des Grenzschutzes, die laut Heimatschutzminister in Portland im Einsatz sind.
Polizei nicht vom Militär zu unterscheiden
Die Pressekonferenz in Washington war eine Reaktion auf massive Kritik am Auftreten und Verhalten der Sicherheitskräfte. Der Reporter Robert Evans, der auch aus der Ukraine und dem Irak berichtet hat, beschrieb der "New York Times" Unterschiede zur regulären Polizei: "Sie gehen wie Soldaten auf Menschen los, wobei das Ziel darin besteht, unberechenbar zu sein. Die Art und Weise, wie sie Munition einsetzen, ist anders. In Portland haben die Menschen Angst vor der Bundespolizei. Aber niemand hat mehr Angst vor den Bullen."
Die Uniformen seien nicht von denen des Militärs zu unterscheiden, lautet ein Kritikpunkt.
Das Aussehen der Tarnuniformen entspreche in Farbe und Mustern jener Ausrüstung, die die US-Armee und die Luftwaffe in Afghanistan einsetze, schrieb die "Washington Post". Die Polizeieinheiten seien nicht vom Militär zu unterscheiden. Zu Unklarheiten unter den Bürgern sei es auch bei den Einsätzen von Sicherheitskräften in Washington gekommen. Verteidigungsminister Mark Esper kritisierte dies. Den Menschen müsse der Unterschied zwischen Polizei und Militär durch die Kleidung deutlich werden.
"Operation Legend" in Chicago und weiteren Städten
Trotz Kritik aus den eigenen Reihen setzt Trump noch mehr föderale Sicherheitskräfte in den Bundesstaaten ein. In Chicago soll es um Kriminalitätsbekämpfung gehen, bei der nach Recherchen der "Chicago Tribune" eine andere Einheit des Heimatschutzministeriums Bundesbehörden und die örtliche Polizei unterstützen soll. Die "Operation Legend" soll nach Aussage von Justizminister William Barr auch auf Kansas City und Albuquerque ausgeweitet werden.
Trump selbst sprach von einem Einsatz diverser Institutionen des Bundes wie des FBI und des Justiz- und Heimatschutzministeriums in Gemeinden, die "von Gewaltverbrechen geplagt" würden.
Militäreinsatz im Inneren
Zu Anfang der Proteste hatte Trump bereits die Nationalgarde in Washington in den Einsatz gegen protestierende Bürger geschickt. Bei der Nationalgarde handelt es sich zumeist um Reservisten, die in Teilzeit in der Armee und der Luftwaffe dienen.
Die Reservetruppe setzt sich aus Einheiten der Bundesstaaten zusammen. Sie stehen unter Kontrolle der Regierungen der Bundesstaaten und der Bundesregierung. Mobilisiert werden können sie zur Unterstützung der regulären Streitkräfte in Kriegen und bei nationalen Notständen, die der Präsident und der Verteidigungsminister ausrufen - oder im Fall von Ausnahmezuständen die Gouverneure in ihren Bundesstaaten.
Darüber hinaus hatte Trump Anfang Juni den Einsatz des regulären Militärs erwogen. Trump kündigte damals an, "Abertausende schwer bewaffnete Soldaten" auf die Straßen schicken zu wollen, um Washington vor Randalierern zu schützen. Das US-Militär verlegte nach eigenen Angaben zweitweilig rund 1600 Soldaten auf Militärstützpunkte rund um Washington.
Den Einsatz des Militärs im Inneren erlaubt dem Präsidenten unter bestimmten Umständen der "Insurrection Act" - das Aufstandsgesetz von 1807. Doch erneut intervenierte Verteidigungsminister Esper. Aktive Einsatzkräfte des Militärs sollten "nur als letztes Mittel und nur in den dringendsten und schlimmsten Situationen" zu einer Strafverfolgungsrolle im Inneren genutzt werden, belehrte er den Präsidenten.
Ist der Einsatz der Bundespolizei gerechtfertigt?
Normalerweise werden Sicherheitskräfte des Bundes im Konsens mit den Gouverneuren in die Bundesstaaten entsandt, wo sie mit der lokalen Polizei kooperieren. Zum Beispiel schickte 2014 der damalige US-Präsident Barack Obama die Nationalgarde nach Ferguson, als es dort nach dem Tod des schwarzen Teenagers Michael Browns zu Unruhen gekommen war. Damals hatte der Gouverneur des US-Staates Missouri die Nationalgarde zu Hilfe gerufen. Jay Nixon ist wie Barack Obama Demokrat.
Die Einheiten des Heimatschutzministeriums tauchten in Portland auf, ohne dass die Behörden dort informiert worden wären und die Gouverneure und Bürgermeister zugestimmt hätten. Insofern werden zahlreiche verfassungsrechtliche Bedenken laut.
In Portland berief sich die Führung in Washington darauf, Einrichtungen des Bundes wie Gerichtsgebäude vor Ort zu schützen. Jedoch seien die Sicherheitskräfte auch außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs aktiv gewesen, erklärten Beamte der Stadt und des Bundesstaates Oregon.
Die Staatsanwaltschaft von Oregon reichte Klage ein, weil die Bundesregierung mit Festnahmen ohne glaubwürdigen Grund gegen die Rechte der Bürger des Staates verstoßen habe. Die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union (ACLU) klagt wegen des Einsatzes von Gummigeschossen, Tränengas und Schreckschusspistolen gegen Journalisten und andere Beobachter.
Der Bürgermeister von New York und seine Amtskolleginnen in Washington und Chicago wandten sich gegen die Entsendung der Bundespolizei in ihre Städte - unter anderem mit der Begründung, der Einsatz in Portland habe zu Eskalationen geführt und das "Risiko von Gewalt gegen Zivilisten und Strafverfolgungsbeamte" erhöht. Die Handlungen des US-Präsidenten seien illegal und dienten politischen Zwecken. Der US-Kongress solle eine Untersuchung einleiten.
Munition für den Wahlkampf
Den Vorwurf der Politisierung nährt Trump selbst. Seinen Wahlkampf führt er unter dem Motto "Recht und Ordnung".
Mit Blick auf die Gewalt in Chicago sagte Trump: "Das ist bei weitem schlimmer als Afghanistan." Womöglich war es kein Zufall, dass der Präsident in Zusammenhang mit der Entsendung weiterer Bundeskräfte das Wort "Surge" verwendete.
Denn der "Obama Surge" ist zu einem Begriff in Verbindung mit dem Krieg in Afghanistan geworden: 2009 verkündete Obama eine massive Aufstockung der US-Truppen am Hindukusch, um die Lage dort in den Griff zu bekommen. Vorbild war ein "Surge" im Irak unter dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush.
Für eine Facebook-Kampagne verwendete Trumps Wahlkampfteam zudem ein Foto, auf dem Demonstranten einen Polizisten attackieren, verbunden mit den Worten "Öffentliche Sicherheit gegen Chaos und Gewalt". Das Bild zeigte allerdings nicht die aktuellen Proteste in den USA, sondern den Aufstand der Ukrainer gegen den autoritär regierenden Präsidenten Viktor Janukowitsch im Jahr 2014.