Verunsicherung in der Krise Kann man rechtlich gegen Gerüchte vorgehen?
In der Corona-Krise werden zahlreiche Gerüchte und Falschbehauptungen in die Welt gesetzt. Niedersachsens Innenminister Pistorius fordert, rechtlich dagegen vorzugehen - doch das ist nur schwer möglich.
Dass ab morgen die Lebensmittel rationiert würden - das wäre so ein Gerücht, das Panik auslösen könnte. Oder, schon unterwegs: die Falsch-Behauptung, die Uni Wien habe Belege dafür, dass das Schmerz- und Fiebermittel Ibuprofen den Verlauf einer Corona-Erkrankung auf jeden Fall verschärft.
So etwas in die Welt zu setzen, ist verantwortungslos - verboten aber ist es nicht. Das deutsche Strafrecht kennt drei Tatbestände, in denen es um Falschbehauptungen geht: Verleumdung, üble Nachrede und Volksverhetzung. Aber: Alle drei kommen für solche Gerüchte nicht in Frage.
Bei Verleumdung und übler Nachrede geht es immer um eine konkrete Person, über die etwas behauptet wird - etwa, jemand sei korrupt. Und bei Volksverhetzung geht es um eine konkrete Gruppe, gegen die gehetzt wird. Passt also alles nicht - wollte man das wissentliche Verbreiten falscher Gerüchte unter Strafe stellen, müsste man dafür das Strafgesetzbuch ändern.
Paragraf in Österreich abgeschafft
In Österreich gab es bis vor ein paar Jahren eine entsprechende Regelung: Paragraf 276 des dortigen Strafgesetzbuches stellte die "Verbreitung falscher, beunruhigender Gerüchte" unter Strafe. Strafverschärfend wirkte es, wenn die Verbreitung des Gerüchtes das öffentliche Leben störte oder zu wirtschaftlichen Schäden führte. Und noch schärfer fiel die Strafe aus, wenn infolge des Gerüchtes Menschen zu Tode kamen.
Doch der Paragraf kam kaum zur Anwendung und wurde deshalb 2015 abgeschafft. Strafbar macht sich in Österreich aktuell nur noch, wer falsche Behauptungen verbreitet, um Wahlen zu beeinflussen.
Dass es da in vielen Ländern eine Lücke gibt, die in Zeiten von Social Media Probleme verursachen könnte, hat auch die EU-Kommission erkannt. Im Februar kündigte Vize-Kommissionchefin Vera Jourova an, sie werde den Mitgliedsstaaten Vorschläge machen, wie sich die Lücke schließen lasse. Vorbild könnte eine entsprechende Regelung in ihrem Heimatland Tschechien sein, sagte sie dem "Spiegel".
Das Problem bei solchen Gesetzen, das dann auch Deutschland lösen müsste, ist allerdings die Grenze zwischen Desinformation und Meinungsfreiheit. Wer zu scharf an die Sache rangeht, der landet bei staatlicher Zensur.