"Extinction Rebellion" Radikal für die Umwelt
Die Bewegung "Extinction Rebellion" will drastisch, aber gewaltfrei auf Probleme hinweisen. Bislang ist der Erfolg der Klimaaktivisten überschaubar.
Die Zeit für den Planeten Erde läuft ab, wenn die Menschheit nicht massiv umsteuert - so die zentrale Parole der Bewegung "Extinction Rebellion" (Rebellion gegen das Aussterben). Die Corona-Pandemie sieht sie als weiteren Weckruf, der Natur wieder mehr Raum zu geben.
Ihre Ziele fasst die Bewegung auf ihrer Website zusammen: Die Bundesregierung solle den ökologischen Notstand ausrufen, die vom Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen bis 2025 auf Netto-Null senken, das Artensterben stoppen und den ökologischen Raubbau eindämmen. Außerdem solle die Bundesregierung eine "Bürger:innenversammlung" einberufen, in der zufällig ausgewählte Bürger über Maßnahmen gegen die ökologische Katastrophe und Klimagerechtigkeit beraten sollen.
Diese konkreten Forderungen stellte "Extinction Rebellion" anders als die Umweltbewegung "Fridays for Future" von Anfang an. Anhänger beider Bewegungen treten auch gemeinsam auf. So sprach die bekannte Aktivistin Luisa Neubauer von "Fridays for Future" bei einer Kundgebung von "Extinction Rebellion" in Berlin und nannte deren teils radikalen Blockadeaktionen für den Umweltschutz legitim, die sich von den angemeldeten Freitagsdemonstrationen unterscheiden.
"Strikte Gewaltfreiheit"
"Extinction Rebellion" gibt sich als ideologisch neutrale gesellschaftspolitische Bewegung. Ihre Ziele wollen die Aktivisten mit zivilem Widerstand und dezentral in Ortsgruppen organisiert durchsetzen. Jeder, der den Werten der Bewegung zustimme, könne mitmachen. Oberstes Prinzip sei "strikte Gewaltfreiheit". Wie sie dies vor allem im Umgang mit der Polizei umsetzen wollen, bringen die Organisatoren den Teilnehmern in Trainings und Tutorials bei.
"Extinction Rebellion" knüpft damit an eine Tradition des zivilen Ungehorsams an, die Störungen der öffentlichen Ordnung dann als legitim ansieht, wenn sich eine große Zahl an Bürgern durch Gesetze und politisches Handeln ungerecht behandelt fühlt. Beispiele sind Mahatma Gandhi in Indien, die Bewegung gegen den Vietnam-Krieg in den USA, die Bürgerrechtsbewegung in der DDR oder zuletzt die "Samtene Revolution" in Armenien, bei der 2018 mit friedlichen Massenprotesten ein Machtwechsel gelang.
Berlin lahmlegen
Im Oktober 2019 probte "Extinction Rebellion" den Aufstand. Eine Woche lang wollten die Aktivisten den Alltag in Berlin stören und besetzten zentrale Orte wie den Potsdamer Platz. Obwohl die Bewegung im Vorfeld mit einem offenen Brief an das Kanzleramt Unterstützung prominenter Schauspieler und Musiker erhielt, hielt sich ihr Erfolg in Grenzen. Zwar gab es umfassende mediale Aufmerksamkeit, doch eine unmittelbare Reaktion der Politik blieb aus.
Gewaltfrei oder nicht?
Zudem gab es viel Kritik für die vorgeblich gewaltfreien Protestmethoden. Zwar verhielten sich die Demonstranten gegenüber der Polizei friedlich - die Organisatoren standen permanent in Kontakt mit Sicherheitsbeamten, die Demonstranten ließen sich meist ohne Gegenwehr von den Straßen tragen und kassierten freiwillig Ordnungsstrafen.
Doch betroffene Autofahrer und Anwohner sahen sich durch die Blockaden erheblich in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Auch Busse der Berliner Verkehrsbetriebe konnten auf vielen Strecken nicht regulär verkehren. "Extinction Rebellion" verteidigt dies, weil sie nur so Aufmerksamkeit für ihre so wichtigen Anliegen erhalten würden.
"Die in"-Protest in Leeds, Großbritannien.
Kritiker verweisen zudem auf den Vordenker der Bewegung, den britischen Umweltaktivisten Roger Hallam. Er sieht auch massive Blockadeaktionen und den Bruch von Gesetzen als gerechtfertigt an, da die britische Regierung an vielen Stellen nicht im Interesse der Bürger handele.
In einer Abspaltung von "Extinction Rebellion" in Großbritannien führte er im September 2019 eine Gruppe an, die den Londoner Flughafen Heathrow durch den Einsatz von Drohnen unterbrechen wollte. Die Polizei unterband die Aktion jedoch, indem sie im Vorfeld Hallam und andere festnahm. Hallam verharmloste zudem in einem Interview den Holocaust, wovon sich jedoch die deutschen Aktivisten distanzierten.
Umgekehrt gab es in Deutschland auch Kritik an "Extinction Rebellion" für deren Kooperation mit der Polizei. Die Bewegung habe einen "absurden, staatsgläubigen Gewaltbegriff", schrieb die Chefin der Partei Ökolinx, Jutta Ditfurth.
Sie stieß sich auch daran, dass Aktivisten von "Extinction Rebellion" im September 2019 eine gemeinsame Sitzblockade mit anderen Organisationen in Hamburg verließen, als einige Teilnehmer "Fuck the Police" riefen. "Extinction Rebellion" erklärte dazu, Beleidigungen und Aggressionen gegen die Polizei trage man nicht mit. Ditfurth wirft de Bewegung auch eine sektenartige Organisationsstruktur vor, was Teilnehmer jedoch mit Blick auf die Eigenständigkeit der Ortsgruppen zurückweisen
Einige Aktionen sorgen für Irritationen. Dazu zählen die Auftritte der "Red Rebel Brigades" in blutroten Kleidern, Kopftüchern und weißgeschminkten Gesichtern mit pantomimischen Darbietungen. Inspiriert wurden sie von einer Straßenkunst-Gruppe aus Bristol. Immer wieder verteilten die Aktivisten auch Kunstblut vor öffentlichen Gebäuden.
Die "Red Rebel Brigades" sorgten für Irritationen.
Internationale Bewegung
Auch wenn die Protestaktion im Oktober 2019 wenig bewirkte, blieb die Bewegung lebendig - nicht nur in Deutschland, auch in anderen europäischen Staaten wie Frankreich und den Niederlanden, vor allem aber in Großbritannien, wo die Bewegung ihren Ursprung hat. Begonnen hatte alles, als Aktivisten am 31. Oktober 2018 eine "Rebellion gegen die Regierung" ausriefen. Danach breitete sich die Bewegung nach eigenen Angaben in 50 Länder aus.
Aktion von "Extinction Rebellion" Mitte Mai 2020 in London: 1500 Paar Kinderschuhe sollen an die Zukunft der Kinder unter den Bedingungen des Klimawandels erinnern.