Karl Lauterbach Warner mit Ungenauigkeiten
Der designierte Gesundheitsminister Lauterbach wird als Fachmann geschätzt. Doch einige seiner Behauptungen waren nicht belegt, beispielsweise über Corona-Zahlen auf Mallorca oder gestrecktes Cannabis.
Von Patrick Gensing, Redaktion ARD-faktenfinder
Die Einschätzungen von Karl Lauterbach sind in der Corona-Pandemie äußerst gefragt. In zahlreichen Talkshows gibt der Mediziner und Gesundheitsökonom seine Einschätzungen zum aktuellen Pandemie-Geschehen und Fachfragen ab. Auch auf Twitter ist der SPD-Politiker aktiv und hat mit fast 700.000 Profilen, die seinem Account folgen, eine für deutsche Verhältnisse sehr große Reichweite.
Allerdings lag Lauterbach in den vergangenen Monaten nicht immer richtig mit seinen Aussagen - beziehungsweise konnte nicht immer Belege liefern. Im Frühjahr hatte er beispielsweise behauptet, die auf Mallorca verzeichneten Fallzahlen seien wohl nicht korrekt. Zudem legte er den Verdacht nahe, das Auftreten einer neuen Corona-Variante werde verharmlost, um dem Tourismus zu nicht zu schaden. Aussagen, die in Spanien für Empörung und Widerspruch sorgten - und sich auch nicht belegen ließen.
Im Juni behauptete Lauterbach in einer Diskussion über die Gefährlichkeit der Delta-Variante, in Großbritannien würden bereits viele Kinder mit Covid-19 in Krankenhäusern behandelt.
Auf Anfrage von tagesschau.de erklärte Lauterbach dazu, er habe sich bei seiner Aussage auf einen Minister aus Schottland bezogen, der von mehr Kindern in Krankenhäusern berichtet, dies später aber wieder relativiert habe. Tatsächlich zeigten die Zahlen aus Großbritannien keine deutlichen Steigerungen, räumte er ein.
Auch Behauptungen von Lauterbach zur nächtlichen Mobilität waren spekulativ, genauso seine Kritik an möglichen Infektionen beim EM-Finale von Wembley im Sommer.
Schlechte Kommunikation?
Mitte Oktober erntete Lauterbach auf Twitter Kritik von dem Virologen Jonas Schmidt-Chansit. Auslöser war ein Tweet, in dem Lauterbach im Bezug auf Covid-19 schrieb: "Für die vielen, die Covid überstanden haben, muss noch viel getan werden. Studien zeigen klar, dass die Krankheit den Prozess der Alterung deutlich beschleunigt. Man altert im Zeitraffer und wird gegen chronische Krankheiten anfälliger sein."
Schmidt-Chanasit kommentierte dies mit einem Verweis auf Leitlinien zur Kommunikation von wissenschaftlichen Erkenntnissen. So sollten Darstellungen vermieden werden, "die unbegründete Befürchtungen oder Hoffnungen" weckten. Damit zielte er offenkundig darauf ab, dass sich Lauterbach nur auf eine Studie bezog, aber von mehreren schrieb - und dass viele Fragen in diesem Kontext noch ungeklärt sind.
Bereits im vergangenen Jahr hatte der ARD-faktenfinder mehrere Beispiele von ungenauen oder unbelegten Aussagen Lauterbachs dokumentiert.
Nach der Veröffentlichung bedankte sich der SPD-Politiker bei der Redaktion für die konstruktive Kritik. Es sei schwer, auf Twitter immer den richtigen Ton zu treffen, so dass die Menschen einerseits die Botschaft verstünden, andererseits aber die Wissenschaftlichkeit gewahrt bleibe, sagte Lauterbach. Er wolle sich in Zukunft noch mehr darum bemühen.
Heroin im Cannabis?
Als Bundesgesundheitsminister dürften seine Tweets und Aussagen noch weit stärker von der Öffentlichkeit - auch international - wahrgenommen werden.
Zudem wäre Lauterbach dann mitverantwortlich für die geplante Legalisierung von Cannabis. Für dieses Anliegen hatte er schon im Wahlkampf geworben - allerdings mit einem fragwürdigen Argument. "Immer häufiger wird dem illegal verkauften Straßen-Cannabis neuartiges Heroin beigemischt, das sich rauchen lässt. Damit werden Cannabis-Konsumenten schnell in eine Heroin-Abhängigkeit getrieben", sagte Lauterbach. Doch Ermittlungsbehörden und Fachleute erklärten auf Anfrage, dies sei entweder nicht bekannt oder eher ein "Drogenmythos".