Debatte über Tönnies-Äußerungen Was ist Rassismus?
Schalke-Aufsichtsratchef Tönnies bleibt trotz der Rassismus-Vorwürfe im Amt. Doch was ist eigentlich Rassismus? Und was sagen Menschen, die selbst Ziel von Rassismus werden?
Trotz seiner Aussagen über Afrikaner darf der Schalker Aufsichtsratschef Clemens Tönnies weitermachen. Der 63 Jahre alte Unternehmer werde sein Amt für drei Monate ruhen lassen und danach seine Tätigkeit im Aufsichtsrat wieder aufnehmen, teilte der Fußball-Bundesligist aus Gelsenkirchen mit. Der Ehrenrat kam zu dem Ergebnis, "dass der gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden des S04, Clemens Tönnies, erhobene Vorwurf des Rassismus unbegründet ist".
Tönnies hatte beim Tag des Handwerks in Paderborn in der Vorwoche Steuererhöhungen im Kampf gegen den Klimawandel kritisiert. Stattdessen solle man lieber jährlich 20 Kraftwerke in Afrika finanzieren. "Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn's dunkel ist, Kinder zu produzieren", sagte Tönnies. Vorzuwerfen sei ihm daher, "gegen das in der Vereinssatzung und im Leitbild verankerte Diskriminierungsverbot verstoßen zu haben", teilten die Schalker in der Erklärung weiter mit.
Was ist Rassismus?
Rassismus ist eine Gesinnung, Ideologie oder Wahrnehmung, nach der Menschen auf Grund äußerlicher Merkmale als Angehörige vermeintlicher "Rassen" kategorisiert und beurteilt werden. Es existieren zahlreiche Definitionen mit unterschiedlichen Schwerpunkten.
Der Begriff wurde in den 1920er- und 1930er-Jahre geprägt - als Reaktion auf die "Rassenkunde" oder "Rassenlehre". 1965 wandte sich die UN im Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung gegen
jede auf der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, dem nationalen Ursprung oder dem Volkstum beruhende Unterscheidung, Ausschließung, Beschränkung oder Bevorzugung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass dadurch ein gleichberechtigtes Anerkennen, Genießen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird.
Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz definiert Rassismus als "die Überzeugung, dass ein Beweggrund wie Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, Staatsangehörigkeit oder nationale oder ethnische Herkunft die Missachtung einer Person oder Personengruppe oder das Gefühl der Überlegenheit gegenüber einer Person oder Personengruppe rechtfertigt".
In der Wissenschaft existieren viele weitere Definitionen, die verschiedene Elemente oder Formen des Rassismus betonen. Der Soziologe Albert Memmi schrieb beispielsweise, Rassismus erfülle eine bestimmte Funktion: Er sei "die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver biologischer Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen".
Was ist Diskriminierung?
Während Rassismus als eine Ideologie oder Geisteshaltung beschrieben wird, versteht man unter Diskriminierung eine konkrete Handlung, durch die eine als minderwertig bezeichnete Gruppe oder Einzelperson im realen Leben benachteiligt wird.
Warum ist der Begriff "Rasse" in Gesetzen umstritten?
Neben der Definition von Rassismus an sich ist der "Rasse"-Begriff in Gesetzestexten umstritten. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes schlug daher vor, entsprechende Texte zu ändern und den Begriff "Rasse" durch "rassistisch" zu ersetzen: "Denn durch die Verwendung des Begriffs 'Rasse' selbst werden rassistische Vorstellungen fortgeschrieben."
In einigen Bundesländern wurde dies bereits umgesetzt. In anderen Staaten, beispielsweise in Norwegen, ist in Gesetzen gegen Diskriminierung von Ethnien statt von "Rassen" die Rede.
Was ist kultureller Rassismus?
In neurechten Theorien ist der klassische Rassismus durch einen kulturellen Rassismus ersetzt worden. Statt auf genetische Unterschiede von Menschengruppen zu setzen, ist nun von kulturellen Differenzen die Rede, die nicht oder kaum veränderbar seien. Theodor Adorno stellte dazu fest: "Das vornehme Wort Kultur tritt anstelle des verpönten Ausdrucks Rasse, bleibt aber ein bloßes Deckbild für den brutalen Herrschaftsanspruch."
Der kulturelle Rassismus behauptet, bestimmte Menschengruppen hätten eine quasi homogene Kultur, die mit der ethnischen oder völkischen Herkunft unabdingbar verbunden sei. Die wesentlichen Eigenschaften von Individuen werden durch die angeblichen kulturellen Eigenschaften einer bestimmten Gruppe bestimmt. Bemerkenswert ist, dass in diesem Konzept ausgerechnet Kultur als starr und kaum veränderbar beschrieben wird, denn gerade Kultur lebt vom Austausch.
Was ist institutioneller Rassismus?
Mit diesem Begriff wird die Ausgrenzung, Benachteiligung oder Herabsetzung von Menschen beschrieben, beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt, der Bildung oder dem Wohnungsmarkt. Ein typisches Beispiel sind Untersuchungen, wonach Menschen mit ausländisch-klingenden Namen bei gleicher Qualifikation deutlich mehr Absagen auf Bewerbungen erhalten. Deswegen werden teilweise bereits anonymisierte Verfahren angewandt. Auch im NSU-Komplex wurde immer wieder institutioneller Rassismus bei den Ermittlungen beklagt.
Ein weiteres Feld ist das sogenannte "Racial Profiling": Dies beschreibt ein polizeiliches Vorgehen, bei dem Menschen allein wegen ihrer Ethnie und nicht anhand konkreter Verdachtsmomente kontrolliert werden. Die Polizeipraxis von pauschalen Verdächtigungen aufgrund unveränderlicher Merkmale wurde von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes als ein schwerer Verstoß gegen die Menschenrechte gewertet.
Amnesty International kritisierte 2016, deutsche Behörden hätten ein Problem mit institutionellem Rassismus. Damit sei das Unvermögen gemeint, "alle Menschen angemessen und professionell zu behandeln, unabhängig von ihrer Hautfarbe, ihres kulturellen Hintergrunds oder ethnischen Herkunft".