Russland und die USA Viele Kanäle, viele Missverständnisse
Der Syrien-Konflikt soll diplomatisch gelöst werden. Aber wie kommunizieren die USA und Russland eigentlich? Kanäle gibt es viele, das Problem ist die Kommunikation an sich.
Wenn US-Präsident Donald Trump auf Twitter seinen Gefühlen freien Lauf lässt, dann ist es oft notwendig, die Ernsthaftigkeit seiner Aussagen und die Absichten der US-Regierung zu klären. Immerhin veranlasst der Syrien-Konflikt viele Beobachter zu der Einschätzung, die Spannungen zwischen Washington und Moskau seien nicht mehr so groß gewesen wie seit der Kuba-Krise 1962.
Damals herrschte ein Mangel an Kommunikation: Über die Gefühlslage auf der anderen Seite konnte zumeist nur spekuliert werden. Die Übertragung von Direktnachrichten dauerte Stunden. Nachdem die Kuba-Krise dank umsichtiger Entscheidungen gelöst werden konnte, unterzeichneten beide Seiten 1963 daher eine Vereinbarung über eine direkte Kommunikationsverbindung - bekannt als das "Rote Telefon" -, um das Risiko eines Nuklearkrieges zu verringern.
Missverständnisse und Fehlkalkulation
Nach dem Ende der Sowjetunion erschien eine direkte Konfrontation zwischen den USA und Russland zunehmend unwahrscheinlich - und die direkten Kommunikationskanäle für Krisenzeiten wurden vernachlässigt. Dies führte dazu, dass beispielsweise 2008 beim Krieg in Georgien die Kommunikation kaum funktionierte, wie die damalige US-Sicherheitsberaterin Fiona Hill in einem früheren Interview mit tagesschau.de sagte: Die Lage sei sehr angespannt gewesen, es habe wenige Kommunikationskanäle zwischen Russland und den USA gegeben.
Missverständnisse und Fehlkalkulationen seien entstanden, weil Informationen spät in Washington eintrafen. Zudem seien falsche Informationen im Umlauf gewesen, da sei vieles erfunden worden, so Hill, die aktuell Sicherheitsberaterin unter Trump ist.
Das Problem von falschen Informationen stellt sich heute mehr denn je. Doch die Art, wie die aktuellen US-Luftangriffe auf Syrien ausgeführt wurden und wie Russland darauf reagierte, weisen auf eine Abstimmung zwischen Moskau und Washington hin.
Kommunikationskanäle zu Syrien
Michael McFaul, US-Botschafter in Russland während Barack Obamas Amtszeit, bestätigte dem ARD-faktenfinder, in seiner Amtszeit sei eine direkte Verbindung zwischen den Verteidigungsministerien in Washington und Moskau zwecks Kommunikation zu Syrien eingerichtet worden. Diese sei noch heute in Betrieb.
Der ehemalige US-Botschafter in Russland, McFaul. (Archivbild aus dem Jahr 2014)
Andrej Kortunow, Kreml-naher Experte in Moskau, sagte dem ARD-faktenfinder: "Die Verbindung zwischen Weißem Haus und dem Kreml wird weiter verwendet, ebenso gibt es Kontakte zwischen den Militärs vor Ort in Syrien." Diese Verbindungen würden hauptsächlich zur Deeskalation und zum Krisenmanagement eingesetzt, so Kortunow.
Die Bundesregierung verfügt ebenfalls über Verbindungen nach Moskau. Wann immer notwendig, werden Informationen mit den zuständigen Ansprechpartnern dort via E-Mail, SMS oder per Telefon ausgetauscht. Öffentlich bekanntgemacht werden nur Telefongespräche von Kanzlerin Angela Merkel und Präsident Wladimir Putin.
Ausweisungen erschweren Kontakt zu russischen Sicherheitsbehörden
Darüber hinaus gibt es direkte Kontakte über die deutsche Botschaft in Moskau zu den russischen Sicherheitsbehörden. Von der Diplomaten-Ausweisung im Zuge der Giftattacke auf den Ex-Agenten Sergej Skripal sollen allerdings jeweils ein Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes und des Bundesnachrichtendienstes sowie zwei Militärangehörige betroffen gewesen sein, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtete. Eine offizielle Bestätigung gab es dazu nicht.
Die Ausweisung von Diplomaten erschwert die Kommunikation.
Ausweisungen beziehen sich auf konkrete Personen, die Posten können in der Regel neu besetzt werden. Das heißt aber, dass die persönlichen Kontakte zu den russischen Sicherheitsbehörden vor Ort neu etabliert werden müssen, was die Kommunikation zunächst erschwert.
Die Art der Kommunikation ist das Problem
Kommunikationskanäle sind also durchaus vorhanden. Ebenso gibt es Gremien, in denen die jetzt lauter denn je geforderten diplomatische Lösungen gesucht werden können. Dazu zählen für Syrien die Genfer Gespräche und für die Ukraine das Normandie-Format.
Darüber hinaus finden nicht nur regelmäßige Begegnungen im UN-Sicherheitsrat statt, sondern zum Beispiel auch bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) in Wien. Dort herrsche allerdings eine Atmosphäre wie im Kalten Krieg, hatte bereits 2016 der damalige OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier beklagt.
Gegenseitige Vorwürfe
Eine Expertengruppe mit Vertretern aus Ost und West versuchte im Auftrag der OSZE, auf einen gemeinsamen Nenner für künftige diplomatische Bemühungen zu kommen. Doch nicht einmal auf einen Kompromiss hinsichtlich der Bewertung wichtiger Schlüsselereignisse in der jüngsten Vergangenheit konnte man sich einigen. Im Wesentlichen blieb es bei gegenseitigen Vorwürfen. Eine Einigung auf gemeinsam anzugehende Themen kam nicht zustande. Ähnliches berichten Diplomaten über Verhandlungen mit russischen Vertretern.
Der Kreml-nahe Experte Kortunow sieht das Hauptproblem in der Abwesenheit einer strategischen und politischen Kommunikation. Außerdem führten multilaterale öffentliche Formate wie der UN-Sicherheitsrat kaum zu Ergebnissen. Kortunow meint: "Wir brauchen mehr persönliche, stärker fokussierte, bilaterale Gespräche auf hoher Ebene - befreit von politischer Propaganda."