AfD-Liste zur Europawahl Ein Professor, den keiner kennt
Zwei Professoren befinden sich auf der Liste der AfD zur Europawahl. Möglicherweise trägt aber nur einer von ihnen den Titel zu Recht. Neue Stimmzettel wird es deshalb aber nicht geben.
Gunnar Beck arbeitet als Hochschullehrer an der University of London. Auf Listenplatz zehn kandidiert er für die AfD zur Europawahl als "Prof. Dr. Gunnar Beck". Doch im deutschen Sinne ist Beck gar kein Professor. Er arbeitet als sogenannter "Reader" an der University of London - eine akademische Berufsbezeichnung an britischen Universitäten.
Beck selbst sieht sich mit seinem angegebenen Titel im Recht und beruft sich auf die Universität Oxford. Diese würde "Reader" als eine Position zwischen einem Professor mit Lehrstuhl und einem Associate Professor definieren, also einem außerordentlichen Professor oder einem Professor ohne Lehrstuhl.
AfD bestreitet Problem...
Auch die Pressestelle der Partei berief sich auf Anfrage des ARD-faktenfinder zunächst auf diese Definition. "Wenn für Dr. Gunnar Beck seine Berufstätigkeit als Professor und Fachanwalt für EU-Recht angegeben ist, so schien und scheint das inhaltlich als Übersetzung richtig, da stets offensichtlich war, dass Dr. Gunnar Beck in Großbritannien arbeitet und die deutschen Begriffe den Sachverhalt inhaltlich richtig beschreiben."
... streicht dann aber den Titel
Später strich die AfD jedoch den umstrittenen Titel auf ihrer Internetseite. Auf der Seite der Kandidaten für die Europawahl wurde "Prof. Dr. Gunnar Beck" durch "DPhil Barrister-at-Law Gunnar Beck" ersetzt.
Nach deutschem Recht kein Professor
Wer sich in Deutschland Professor nennen darf, ist aber in den jeweiligen Hochschulgesetzen der Länder geregelt. Der Stimmzettel zur Europawahl weist Neuss in Nordrhein-Westfalen als Becks Meldeadresse aus. Dem Deutschlandfunk habe das zuständige NRW-Wissenschaftsministerium auf Anfrage mitgeteilt, dass eine schlichte Umwandlung einer englischen Hochschulfunktion in einen deutschen Titel ausgeschlossen sei.
Darauf aufmerksam geworden war zunächst der Journalist Maximilian Steinbeis, Betreiber der Seite "Verfassungsblog". Ihm gegenüber verwies Beck auf seinen Wikipedia-Eintrag. Dort war zu lesen, dass die Professur auf die Universität Sussex zurückgehe. Diese gab dann wiederum an, dass Beck dort nie gearbeitet habe. In der Zwischenzeit wurde der Wikipedia-Eintrag geändert.
"Fachanwalt für Europarecht"
Der Deutschlandfunk berichtet außerdem, dass die von Beck geführte Bezeichnung als "Fachanwalt für Europarecht" unzulässig sei. Ein Sprecher der Bundesrechtsanwaltskammer sagte dem Sender, die Bezeichnung Fachanwalt sei in Deutschland rechtlich geschützt. Einen Fachanwalt für Europarecht gebe es nach deutschem Recht nicht.
Gründe an der Richtigkeit des angegebenen Titels zu zweifeln, gab es zunächst nicht, sagte eine Sprecherin des Büros des Bundeswahlleiters dem ARD-faktenfinder. Man habe wie üblich Rücksprache über die Wahlvorschläge mit den betreffenden Vertrauenspersonen gehalten.
Kein Neudruck der Stimmzettel
Auch wenn der Titel wirklich zu Unrecht geführt werden sollte und es sich nicht nur um einen Übertragungsfehler handele, gebe es zum jetzigen Zeitpunkt keine Möglichkeit mehr, neue Stimmzettel zu drucken. Im Nachgang könnte allerdings eine Wahlprüfungsbeschwerde eingelegt werden, sollten sich Wähler durch den Titel getäuscht gefühlt haben.
Auch bei der Europawahl 2014 hatte es Diskussionen um eine falsche Berufsbezeichnung auf Stimmzetteln gegeben. Der ehemalige CDU-Ministerpräsident Niedersachsens, David McAllister, war dort als Abgeordneter des Landtags geführt worden, was er zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht mehr war. Auch damals war ein Neudruck der Stimmzettel aus zeitlichen Gründen nicht mehr möglich.