Covid-19-Impfungen Wie "Querdenker" gezielt Zweifel säen
Die meisten Covid-19-Patienten in den Kliniken sind nicht geimpft, das zeigen verschiedene Statistiken. "Querdenker" versuchen, diese Angaben als falsch darzustellen - mit einer verqueren Behauptung.
Die "Querdenker"-Bewegung versucht mit immer neuen Behauptungen, die Schutzwirkung von Impfungen gegen schwere Covid-Verläufe anzuzweifeln. Über Telegram hat eine "Querdenken"-Gruppe am Montag einen Tweet geteilt, in dem behauptet wird, die Intensivstationen seien wohl nur deswegen vor allem von Ungeimpften belegt, weil geimpfte Personen mit Symptomen als ungeimpft erfasst würden.
Als vermeintlichen Beweis für diese Behauptung führen die "Querdenker" eine Begriffsklärung an: Diese stammt aus der offiziellen "Verordnung zur Regelung von Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19". In der zitierten Begriffsklärung heißt es unter anderem: Im Sinne dieser Verordnung sei "eine geimpfte Person eine asymptomatische Person, die im Besitz eines auf sie ausgestellten Impfnachweises ist".
Daraus folgern die "Querdenker" im Umkehrschluss, alle geimpften Personen mit Symptomen gelten nicht als geimpft, sondern als ungeimpft - und deswegen würden vor allem Ungeimpfte auf den Intensivstationen liegen - bei denen es sich aber tatsächlich um Geimpfte handele.
Kliniken testen und prüfen Impfstatus
Tatsächlich hat die zitierte Begriffsklärung nichts mit dem Impftstatus von Patienten in den Kliniken zu tun. Die Begriffsklärung ist Teil einer Verordnung, um Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen zu regeln, nicht um den Impfstatus von Patientinnen und Patienten im Krankenhaus zu definieren.
Eine Sprecherin der Helios-Kliniken erklärte auf Anfrage, in den Klinken des Unternehmens würden symptomatische Patienten getestet - und zusätzlich werde ihr Impfstatus geprüft. Auf Basis dieser Daten könnten die Helios-Kliniken dokumentieren, wie viele Patientinnen und Patienten geimpft oder ungeimpft sind. Diese Zahlen werden regelmäßig aktualisiert und veröffentlicht.
Die meisten Covid-Patienten ohne Impfschutz
Den jüngsten Helios-Zahlen zufolge waren in den vergangenen fünf Wochen 970 Corona-Patienten nicht oder nicht vollständig geimpft, 157 davon lagen auf den Intensivstationen. Obwohl es insgesamt deutlich mehr geimpfte als ungeimpfte Personen in Deutschland gibt, lag deren Zahl hingegen weit niedriger, nämlich bei 327 insgesamt, davon 49 auf Intensivstationen.
Zu beachten ist: Diese Statistik hat eine Unschärfe; so könnten Menschen beispielsweise wegen eines Verkehrsunfalls ins Krankenhaus eingeliefert werden - und gleichzeitig Covid-19-Symptome zeigen. Sollten sie dann positiv getestet werden, werden sie in der Statistik als Corona-Patienten aufgeführt.
Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand ins Krankenhaus muss und gleichzeitig zusätzlich Covid-Symptome zeigt, recht gering. Zudem gilt diese Unschärfe sowohl für Geimpfte als auch Ungeimpfte, die aufgenommen werden, denn die Impfungen schützen nicht generell vor einer Infektion, sondern sie sollen vor allem einen schweren Verlauf verhindern.
Aussage ergibt keinen Sinn
Abgesehen davon, dass die Begriffsklärung aus der Verordnung nichts mit der erwähnten Statistik zu tun hat: Die Behauptung der "Querdenker" ergibt auch in sich überhaupt keinen Sinn, denn folgt man dieser Annahme, müsste der Anteil der Ungeimpften in den Kliniken bei 100 Prozent liegen.
Denn dieser Behauptung zufolge werden sämtliche Covid-Patienten in den Kliniken - angeblich! - als ungeimpft ausgewiesen - da sie entsprechende Symptome zeigen. Dies ist aber selbstverständlich nicht der Fall, da sich der jeweilige Impfstatus leicht überprüfen und dokumentieren lässt.
Studie belegt Schutzwirkung
Neben den Helios-Zahlen kommen verschiedene andere Statistiken zu dem Ergebnis, dass der Anteil von ungeimpften Covid-Patienten in den Krankenhäusern viel höher ist als der von vollständig geimpften. In Frankreich zeigte eine am Montag vorgestellte Studie, dass Impfungen sehr effektiv vor schweren Covid-19-Verläufen schützen. "Geimpfte Menschen haben ein neunmal geringeres Risiko, ins Krankenhaus eingeliefert zu werden oder an Covid-19 zu sterben als ungeimpfte", erklärte der Epidemiologe Mahmoud Zureik, Leiter der Wissenschaftsgruppe Epi-Phare. Geimpfte hätten zwei Wochen nach ihrer zweiten Dosis ein 90 Prozent niedrigeres Risiko einer Krankenhauseinlieferung oder eines tödlichen Krankheitsverlaufs als Ungeimpfte.
In der Schweiz lag der Anteil der Ungeimpften in Kliniken bei 90 Prozent. In Deutschland gibt das RKI in seinem jüngsten Wochenbericht den Schutz durch Impfungen vor einer Hospitalisierung bei den 18- bis 59-Jährigen mit etwa 92 Prozent an, bei den über-60-Jährigen mit etwa 88 Prozent. Der Schutz vor Behandlung auf einer Intensivstation liegt demnach bei 95 Prozent (Alter 18-59 Jahre) bzw. etwa 93 Prozent bei den Menschen, die älter als 60 Jahre sind. Der Schutz vor einem tödlichen Verlauf liegt den RKI-Angaben zufolge bei etwa 99 Prozent bei den 18 bis 59-Jährigen und etwa 90 Prozent bei den Älteren.
Nur noch moderate Gefährdung für Geimpfte
Alle Impfstoffe, die zurzeit in Deutschland zur Verfügung stehen, schützen laut RKI bei vollständiger Impfung wirksam vor einer schweren Erkrankung. Das Robert Koch-Institut schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der nicht oder nur einmal geimpften Bevölkerung in Deutschland insgesamt weiterhin als hoch ein - für vollständig Geimpfte hingegen nur noch als moderat.
Welche fatalen Konsequenzen es haben kann, wenn Menschen die Desinformation von Corona-Leugnern und Impfgegnern glauben, zeigt unter anderem der Fall eines Ehepaars aus Bayern, das mit schweren Covid-Erkrankungen in ein Krankenhaus kam. "Ich war ein Impfgegner, weil man immer wieder verschiedene Sachen gehört hat", berichtete die Frau dem BR. Nach den Erfahrungen in der Klinik appellierte sie hingegen an die Menschen, "dass sie sich impfen lassen sollen". Auch in den USA bereuten Impfgegner nach ihrer Erkrankung ihre Ablehnung und riefen dazu auf, sich durch Impfungen zu schützen.