Versorgung auf dem Land Warten, bis (k)ein Arzt kommt
Viele ältere Menschen, wenige Arztpraxen - das ist Situation in vielen ländlichen Regionen. So auch in Brandenburg. Selbst Prämien locken neue Ärzte kaum.
Andreas und Marion Tränkner leben gern auf dem Land. Auf ihrem Hof bei Lübben halten sie privat ein paar Schafe und Hühner sowie eine Menge Katzen. Mitten im Wald gelegen, 20 Minuten bis in die Stadt, idyllischer geht es kaum. "Aber man kann hier nicht einfach einkaufen gehen, der Tank muss immer voll sein und die Feuerwehr braucht mehr als eine halbe Stunde", sagt Andreas Tränkner. Das Landleben hat seine Erschwernisse.
6000 Menschen ohne Hausarzt - Tendenz steigend
Neuerdings ist noch eines dazu gekommen: Im nahen Lübben gehen die Hausärzte aus. Nachdem gleich vier von ihnen ihre Praxen aufgegeben haben, sind 6000 Patienten auf einen Schlag aus der Versorgung gefallen. Als Andreas Tränkner vor Kurzem vor der Tür seines Hausarztes stand, hing dort ein Schild: Die Praxis ist geschlossen - für immer.
"Ich brauchte einen Überweisungsschein, aber woanders kommst du einfach nicht rein", erklärt er. Dann hatte er Glück. Als Diabetiker ist er in einer Spezialpraxis untergekommen. Viele andere Menschen im Landkreis Dahme-Spreewald südöstlich von Berlin sind noch immer auf der Suche. Marion Tränkner gehört dazu. "Ich kann nur hoffen, dass ich fit bleibe", sagt die 62-Jährige. "Bislang geht's mir gut, ich habe keine großen medizinischen Probleme. Aber trotzdem brauche ich ja hin und wieder mal eine Überweisung zum Facharzt."
Aus Lübbener Praxen ist unter der Hand zu hören, dass man "ja sogar Privatpatienten wegschickt", weil die Praxen bereits bereits völlig überlastet sind. Und die Versorgungslage könnte noch schlechter werden. Die Region ist drohend unterversorgt, warnt der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB), Peter Noack. Fast die Hälfte aller Hausärzte sei über 60 Jahre alt. "Man kann nicht ad hoc einen Verbesserungsvorschlag vorlegen", so Noack. "Man kann nur mit den Kollegen vor Ort reden, dass sie die Rezeptierung von Dauermedikamenten mit übernehmen."
"Unterlassene Hilfeleistung"
Gerade das ist hier ein ernstzunehmendes Problem. Zahlreiche Patienten bekommen keine Medikamente mehr, weil andere Ärzte die Rezepte nicht ausstellen wollen. Ein Kreistagsabgeordneter bezeichnete diese Praxis im Gesundheitsausschuss unlängst sogar als "unterlassene Hilfeleistung".
Wie dringend der Bedarf ist, zeigt auch die Schilderung einer Mitarbeiterin der Notaufnahme im Luckauer Krankenhaus. Täglich würden dort Patienten ohne Hausarzt auftauchen, die keine andere Möglichkeit mehr sehen, sich behandeln zu lassen.
Dass der Fachärztemangel auf dem Land nichts Neues ist, ist allen Beteiligten klar. Dennoch scheinen Mittel, wie etwa eine Prämie bis zu 55.000 Euro vom Land und der KVBB bislang nicht zu bewirken, dass sich neue Ärzte zwischen Lübben und Luckau ansiedeln wollen. "Noch können sich Kollegen aussuchen, wo sie hingehen. Und die wenigsten haben Interesse, sich in der Fläche niederzulassen, es geht dann doch der Gang in berlinnahe Regionen", so Noack.
Stadt will helfen
Kürzlich gab es ein Arbeitstreffen von Politikern aus der Region, Vertretern des Landesgesundheitsministeriums und örtlich niedergelassenen Ärzten. Das Problem ist erkannt, eine Lösung nicht in Sicht. Frank Neumann, der Bürgermeister von Lübben will, dass die Stadt selbst aktiv wird. Die Stadt wolle "helfen und unterstützen bei einer Praxisübernahme oder auch bei der Suche nach neuen Praxisräumen", erklärt Neumann.
Ob die Bemühungen Erfolg haben werden, ist fraglich. Derzeit gibt es in der Region einen Antrag auf eine Hausarztniederlassung und lediglich zwei vorsichtige Interessensbekundungen. Marion Gärtner fasst ihre Aussichten sarkastisch zusammen: "Fit bleiben bis ins hohe Alter und dann umfallen."