Angriffe auf trans Personen "Bewusstsein in der Gesellschaft schärfen"
Die Angriffe auf trans Personen in Münster und Bremen haben viele schockiert. Doch Beleidigungen und Übergriffe gehören oft zum Alltag. Das Ausmaß der Gewalt ist unklar. Das Dunkelfeld ist groß.
Leonard Fricke läuft am liebsten nicht allein über die Hafenstraße in Bremerhaven. Vor fünf Jahren hat ihn hier ein fremder Mann angesprochen. "Er hat gefragt, ob ich ein Mädchen oder ein Junge bin", erzählt der 24-Jährige. "Und dann hat er mir zwischen die Beine gefasst, um zu gucken, was ich in der Hose hab."
Leonard Fricke ist trans. Das heißt: Bei der Geburt wurde ihm das weibliche Geschlecht zugewiesen. Er identifiziert sich aber als Mann. Seit fünf Jahren nimmt Fricke Hormone, die seinen Körper verändern. Durch Testosteron ist seine Stimme tiefer geworden und ihm ist ein Bart gewachsen. Seitdem sich sein Aussehen verändert hat, wird er kaum noch beleidigt. "Das liegt einfach daran, dass die Leute nicht erkennen, dass ich trans bin."
Verunsicherung nach Angriffen
Ende August wurde ein junger trans Mann am Rande eines Christopher-Street-Day-Festes in Münster brutal zusammengeschlagen. Der 25-Jährige starb später im Krankenhaus. Eine Woche später attackierte eine Gruppe Jugendlicher eine trans Frau in einer Bremer Straßenbahn. Laut Polizei beleidigten die Täter die 57-Jährige und rissen ihr die Perücke vom Kopf. Ein Jugendlicher soll ihr anschließend mehrfach mit den Fäusten ins Gesicht geschlagen haben.
Die beiden Angriffe bestürzten und verunsicherten viele in der Trans-Community. "Wir fühlen uns in der Öffentlichkeit sowieso oft nicht so wohl und sicher", erzählt Finn Müller. Müller arbeitet im Rat-und-Tat-Zentrum für queeres Leben in Bremen. "Gerade nach den Angriffen überlegen wir alle, ob wir jetzt wirklich mit Rock auf die Straße gehen, Schmuck tragen, oder wie wir uns überhaupt verhalten wollen."
Faeser: Bewusstsein in unserer Gesellschaft schärfen
Das Bundeskriminalamt hat im letzten Jahr 1051 trans- und homophobe Straftaten registriert. "Wir gehen aber immer noch von einem großen Dunkelfeld aus, das wir ans Licht bringen müssen, um den Betroffenen helfen zu können", so Bundesinnenministerin Nancy Faeser. "Deshalb müssen wir das Bewusstsein überall in unserer Gesellschaft schärfen."
Besonders auffällig bei den jüngsten Angriffen in Münster und Bremen ist das Alter der mutmaßlichen Täter. Bei der tödlichen Attacke in Münster gilt ein 20 Jahre alter Mann als tatverdächtig. Beim Angriff in der Bremer Straßenbahn ermittelte die Polizei vier Verdächtige zwischen zwölf und 13 Jahren.
"Gerade der Umstand, dass es oft Jugendliche sind, von denen die Gewalt ausgeht, zeigt, wie wichtig es ist, da auch mehr zu machen", sagt Finn Müller vom Beratungszentrum Rat und Tat. Müller geht mit einem ehrenamtlichen Team in Schulklassen. Oft erklären sie erstmal, was Begriffe wie Transgender bedeuten und bieten Raum für Fragen.