Statistisches Bundesamt Jedes siebte Kind in Deutschland von Armut bedroht
Nicht genug Geld für Kleidung und Essen oder soziale Ausgrenzung: Armut hat viele Gesichter. Mehr als zwei Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland waren 2023 davon bedroht. Der Anteil ist im Vergleich zum Vorjahr nur leicht rückläufig.
Etwa jedes siebte Kind und jeder siebte Jugendliche war im vergangenen Jahr von Armut bedroht. Die insgesamt 2,1 Millionen unter 18-Jährigen entsprechen damit einer Quote von 14 Prozent, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Die Anzahl ist damit gegenüber dem Vorjahr leicht rückläufig. 2022 waren noch 15 Prozent der Minderjährigen armutsgefährdet.
Als armutsgefährdet gilt, wem weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung zur Verfügung stehen. Im Jahr 2023 lag dieser Wert für eine alleinlebende Person in Deutschland bei 1.314 Euro netto im Monat, für zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren waren es 2.759 Euro netto im Monat.
Armut ist laut Bundesamt ein mehrdimensionales Phänomen und kann sich nicht nur in finanziellen, sondern auch in sozialen Faktoren niederschlagen. Im Jahr 2023 war demnach sogar knapp jede oder jeder vierte unter 18-Jährige in Deutschland von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht.
Bildungsabschluss hat Einfluss auf Kinderarmut
Wie stark Kinder und Jugendliche von Armut bedroht sind, hängt insbesondere mit dem Bildungsabschluss der Eltern zusammen, erklärten die Statistiker. Unter 18-Jährige, deren Eltern über einen niedrigeren Bildungsabschluss wie einen Haupt- oder Realschulabschluss ohne beruflichen Abschluss verfügten, waren 2023 häufiger von Armut bedroht (36,8 Prozent).
Bei Eltern mit mittlerem Bildungsabschluss wie Abitur oder einer Berufsausbildung waren rund 14,3 Prozent der Kinder gefährdet. Hatten die Eltern einen höheren Bildungsabschluss wie einen Meistertitel oder ein absolviertes Studium, lag die Quote nur noch bei 5,8 Prozent.
Verband: Zahlen sind alarmierende Nachricht
Der Paritätische Wohlfahrtsverband hält die aktuellen Zahlen für eine "massiv alarmierende Nachricht". Kinderarmut stagniere im Großen und Ganzen. In einem so wohlhabenden Land wie in Deutschland könne es nicht sein, dass jedes vierte Kind diese Hypothek im Kinder- und Jugendalter zu tragen habe, sagte Joachim Rock, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Nachrichtenagentur dpa.
Er forderte politische Maßnahmen: "Kein Kind ist allein in Armut, sondern das ist immer im Familienkontext. Das heißt, wir brauchen auch eine Verbesserung der Einkommenssituation von Familien insgesamt."
Verweis auf realen Einkommensrückgang
Die Wirtschaftswissenschaftlerin Irene Becker wertete die Zahlen auf den ersten Blick als positive Entwicklung. Politische Stellschrauben wie Inflationsausgleichszahlungen oder die Erhöhung des Mindestlohns 2022 könnten sich positiv auf die Quote ausgewirkt haben.
Dennoch verweist sie auf den realen Einkommensrückgang, gerade bei armutsgefährdeten Familien. Wer direkt an der Armutsschwelle lebe, habe weniger als 2020. Gerade für Familien im "Armutsbereich" sei das besonders schlimm.