Ende der Atomkraftära Kurz vor Mitternacht ist Schluss
Kurz vor Mitternacht gehen die letzten drei Atommeiler endgültig vom Netz - Monate später als ursprünglich von der damaligen schwarz-gelben Koalition vorgesehen. Kernkraftgegner feiern das Ende einer Ära.
Nach rund sechs Jahrzehnten verabschiedet sich Deutschland heute von der Atomkraft - am späten Abend sollen die Atomkraftwerke Isar 2 in Bayern, Emsland in Niedersachsen und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg vom Netz gehen. Die Abschaltung des letzten Werks wird kurz vor Mitternacht erwartet.
Für Atomkraftgegner ist das ein Grund zu Feiern: Auf dem Odeonsplatz in München, am AKW in Neckarwestheim und an der Brennelementefabrik in Lingen kamen laut BUND insgesamt mehr als 2300 Menschen zu "Abschaltfesten" zusammen; Aktionen gab es auch in Hamburg, Hannover und Freiburg. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wollten laut BUND auch ein "Zeichen für den endgültigen Atomausstieg" setzen.
In Berlin versammelten sich nach Angaben von Greenpeace 200 bis 300 Atomkraftgegner am Brandenburger Tor, wo die Organisation einen symbolisch zur Strecke gebrachten "Atomdino" aufgestellt hatte. Der Chef von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser, feierte die Abschaltung der letzten Atomkraftwerke in Deutschland als "riesigen Erfolg" von 40 Jahren Antiatombewegung.
Eigentlich hätten die AKW schon Ende vergangenen Jahres vom Netz gehen sollen. Das hatte die Koalition aus CDU/CSU und FDP als Reaktion auf die Reaktorkatastrophe von Fukushima beschlossen. Wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine entschied die Ampelkoalition im vergangenen Jahr jedoch, die drei Meiler über den Winter weiterlaufen zu lassen.
Debatte um AKW-Weiterbetrieb schwelt weiter
Doch auch wenn die Entscheidung über ein Abschalten der Atommeiler seit langem politisch besiegelt ist, geht die Debatte weiter. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sagte der Nachrichtenagentur dpa, der Atomausstieg mache Deutschland sicherer. "Die Risiken der Atomkraft sind im Falle eines Unfalles letztlich unbeherrschbar." Die SPD-Bundestagsfraktion schrieb ebenfalls auf Twitter: "Atomkraft? Und Tschüss".
Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang sagte in den tagesthemen, der Ausstieg aus der Atomkraft stehe für den Einstieg ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte zuvor in den tagesthemen seine Forderung bekräftigt, eine Rückkehr zur Nutzung der Kernenergie zu prüfen. "Wir brauchen jedes Fitzelchen Energie." FDP-Chef Lindner hatte dem Fernsehsender Welt-TV am Freitagabend gesagt, er wünsche sich, die drei Kernkraftwerke in der Reserve zu belassen anstatt sie zurückzubauen. Deutschland sollte sich darüber hinaus "die Möglichkeit der Kernfusion offenhalten, hier forschen und auch Anwendungen ermöglichen".
Abschalten kurz vor Mitternacht
Die Abschaltung des letzten Atomkraftwerks wird kurz vor Mitternacht erwartet - welcher der drei Meiler der letzte sein wird, ist unklar. Das Atomkraftwerk Isar 2 soll dem Betreiber PreussenElektra zufolge voraussichtlich gegen 23.45 Uhr vom Netz gehen und somit keinen Strom mehr einspeisen. Etwa eine Viertelstunde später werde der Reaktor abgeschaltet, sagte Werksleiter Carsten Müller. "Wir erfüllen das Atomgesetz mit dem Trennen des Generators vom Netz vor Mitternacht."
Nach dem Abschalten wird der Reaktor "kaltfahren". Müller zufolge wird dabei die Temperatur in der Anlage innerhalb von etwa zwölf Stunden auf Umgebungstemperatur gesenkt. Etwa neun Stunden nach der Abschaltung werde über dem Kühlturm kein Dampf mehr zu sehen sein.