Verfassungsgerichtshof des Landes Wahl in Berlin muss wiederholt werden
Falsche Stimmzettel, teils stundenlange Wartezeiten: Der Berliner Verfassungsgerichtshof hat die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus 2021 wegen vieler Pannen für ungültig erklärt. Sie muss nun binnen 90 Tagen wiederholt werden.
In Berlin muss die von zahlreichen Pannen geprägte Wahl zum Abgeordnetenhaus wiederholt werden. "Die verbundenen Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen werden im gesamten Wahlgebiet für ungültig erklärt", sagte die Präsidentin des Berliner Verfassungsgerichtshofs, Ludgera Selting, bei der Entscheidungsverkündung.
Zur Begründung verwies Selting auf "schwere systemische Mängel" schon bei der Vorbereitung der Wahl 2021 sowie eine "Vielzahl schwerer Wahlfehler". Diese seien mandatsrelevant gewesen - haben sich demnach also auf die Zusammensetzung des Parlaments ausgewirkt. Der Grundsatz der Allgemeinheit, Gleichheit und Freiheit sei bei der Wahl verletzt worden.
Als Beispiele für Wahlfehler nannte Selting falsche, fehlende oder eilig kopierte Stimmzettel, zu wenige Wahlurnen, die zeitweise Schließung von Wahllokalen sowie lange Schlangen davor mit Wartezeiten von mitunter mehreren Stunden. In einem Teil der 2256 Wahllokale stimmten Wähler noch nach 18.00 Uhr ab.
Mehr Wahlhelfer und Wahlurnen geplant
Eine Wahlwiederholung muss nun innerhalb von 90 Tagen erfolgen. Als wahrscheinlicher Termin gilt nach bisheriger Einschätzung des neuen Landeswahlleiters Stephan Bröchler der 12. Februar. Seine Vorgängerin war nach dem Berliner Wahlchaos im vergangenen Herbst zurückgetreten.
Pannen wie im September 2021 soll es nicht noch einmal geben. So sollen bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus mindestens 38.000 Wahlhelfer zum Einsatz kommen statt 34.000 im Vorjahr. Sie sollen besser geschult werden und eine deutlich höhere Entschädigung erhalten. In Wahllokalen sollen zudem mehr Wahlurnen stehen als beim letzten Mal.
Insgesamt 35 Einsprüche
Am 26. September 2021 waren - mitten in der Corona-Pandemie - in Berlin auch der Bundestag und die zwölf Bezirksparlamente neu gewählt worden. Hinzu kam noch ein Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungskonzerne. Nebenher lief außerdem der Berlin-Marathon. Folge dieser Ballung und schlechter Vorbereitung waren dann massive Probleme bei der Abstimmung.
Wegen der vielen Pannen musste Berlins oberstes Gericht die Gültigkeit der Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den zwölf Bezirksversammlungen überprüfen. Insgesamt lagen ihm 35 Einsprüche gegen die Wertung vor, über vier davon war zunächst verhandelt worden. Dabei ging es um die Beschwerden der Landeswahlleitung, der Innenverwaltung sowie der Parteien AfD und Die Partei.
Auch eine Wiederholung für die Wahl zum Bundestag ist nötig - zumindest für einen Teil der Berlinerinnen und Berliner: Der Bundestag beschloss in der vergangenen Woche auf Basis einer Empfehlung seines Wahlprüfungsausschusses mit den Stimmen der Ampelfraktionen SPD, Grüne und FDP, dass sie in 431 Berliner Wahlbezirken wiederholt werden muss.
Die Parteien im Bundestag gehen aber davon aus, dass der Beschluss vor dem Bundesverfassungsgericht angefochten wird.
CDU sieht schwere Niederlage für Giffey
Das jetzige Urteil ist nach Einschätzung der Berliner CDU eine Niederlage für die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD). "Es ist ein Tiefpunkt für das Ansehen Berlins in Deutschland und der Welt", teilte der Generalsekretär der Hauptstadt-CDU, Stefan Evers, mit. "Es ist eine schwere Niederlage für Frau Giffey und ihren Senat."
Senator Andreas Geisel, zum Zeitpunkt der Wahl im September 2021 an der Spitze der für die Wahl zuständigen Innenverwaltung, sei noch immer im Amt. "Das ist spätestens jetzt keinem Berliner mehr zu erklären oder zuzumuten", sagte Evers. "Franziska Giffey muss endlich Verantwortung übernehmen. Sie muss ihren Pattex-Senator entlassen." Der SPD fehle der Mut, die Kraft und die Vision, die Stadt grundlegend zu modernisieren. "Das Urteil des Verfassungsgerichts zeigt mehr als deutlich: So wie Berlin regiert wird, darf es nicht bleiben."