Bundesverfassungsgericht Urteil über Wahlwiederholung in Berlin erwartet
Das Bundesverfassungsgericht verkündet heute, ob - und wenn ja, in welchem Umfang - die Bundestagswahl in Berlin wiederholt werden muss. Die Folgen der Entscheidung dürften sich wahrscheinlich in Grenzen halten.
Als im September 2021, vor rund zwei Jahren, in Berlin gewählt wurde, herrschten zum Teil chaotische Zustände: Es gab lange Schlangen vor den Wahllokalen, falsche Wahlzettel, in einigen Wahlbezirken fehlten diese sogar. Einige Wahllokale mussten vorübergehend schließen oder blieben bis weit nach 18 Uhr geöffnet.
2022 beschloss deshalb der Bundestag mit den Stimmen der Ampelkoalition, die Wahl zum Teil zu wiederholen. Konkret: in 431 Wahlbezirken. Der CDU/CSU-Bundestagsfraktion reicht das nicht. Sie klagte gegen den Bundestagsbeschluss. Patrick Schnieder, parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, meint, dass in deutlich mehr Bezirken die Wahl wiederholt werden muss.
Bei der Organisation und Durchführung der Wahl hat es ein systemisches Versagen gegeben. Wir meinen, dass man in wesentlich mehr Wahlbezirken Wahlfehler feststellen kann, die Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Bundestages haben können. Und damit muss in diesen Wahlbezirken - das sind bei uns etwa 1.200 von 2.200 insgesamt - neu gewählt werden.
Nur so ließe sich das Vertrauen der Berliner Bevölkerung in die ordnungsgemäße Durchführung von Wahlen wiederherstellen, argumentiert die CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Die Ampelkoalition sieht das anders. Johannes Fechner, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, hatte die Ampel während der Verhandlung in Karlsruhe vertreten. Er meint, dass eine Wiederholung der Bundestagswahl in 431 Bezirken völlig ausreiche. "Wir haben keine Hinweise auf weitere Fehler bei den Wahlbezirken, die wir intensiv im Wahlausschuss geprüft haben", sagt er.
"Deswegen ist mein Eindruck, dass es der Union darum geht, die vermeintlich gute Ausgangsposition der hohen Umfragewerte auszunutzen, um mehr Sitze zu erringen bei einer Wiederholungswahl." Wahltaktische Motive wirft allerdings auch die Unionsfraktion der Ampelkoalition vor.
Verfassungsgericht will auch grundsätzliche Dinge klären
Das Bundesverfassungsgericht muss nun entscheiden, ob und - wenn ja - in wie vielen Wahlbezirken tatsächlich neu gewählt werden muss. Dass es die chaotische Wahl in Berlin absegnen wird, dürfte nahezu ausgeschlossen sein.
Das Gericht wird aber nicht nur über die Bundestagswahl in Berlin entscheiden, sondern will auch Maßstäbe für die Zukunft setzen, sagte die Vizepräsidentin des Bundesverfassungsgerichts und Vorsitzende des Zweiten Senats, Doris König, während der Verhandlung im Juli: "Das Verfahren gibt dem Bundesverfassungsgericht die Gelegenheit, sich auf der Grundlage von Artikel 41 Absatz 2 Grundgesetz und Paragraf 48 Bundesverfassungsgerichtsgesetz mit grundlegenden Fragen der Wahlprüfung zu befassen."
So soll zum Beispiel geklärt werden, wie fehlende Stimmzettel oder eine Stimmabgabe nach 18 Uhr zu werten sind, und welche Folgen sich daraus ergeben. Ansonsten wird das Verfassungsgericht höchstwahrscheinlich genaue Vorgaben machen, in wie vielen Bezirken die Bundestagswahl in Berlin wiederholt werden muss.
Folgen des Urteils wahrscheinlich begrenzt
Unabhängig davon, wie das Verfassungsgericht entscheidet: An der Mehrheit der Ampel-Regierung im Bundestag dürfte sich bei einer Neuwahl nichts ändern. Dafür fallen die Stimmen aus Berlin rein rechnerisch zu wenig ins Gewicht.
Vor dem Urteil wurde viel darüber spekuliert, welche Folgen es für die Linkspartei haben könnte. Hintergrund: In Berlin hatten die Linken-Politiker Gregor Gysi und Gesine Lötzsch ihre Wahlkreise gewonnen und Direktmandate erzielt. Rein theoretisch könnte bei einer Neuwahl einer von beiden das Direktmandat wieder verlieren. In diesem Fall wäre die Linke aufgrund der sogenannten Grundmandatsklausel gar nicht mehr im Bundestag vertreten.
2021 hatte die Linke bundesweit nur 4,9 Prozent der Stimmen geholt. Sie zog nur deshalb in den Bundestag ein, weil sie drei Direktmandate holte, neben den beiden in Berlin noch eines in Leipzig. Wenn man sich alles sehr genau anschaut, ist ein solches Szenario aber eher unwahrscheinlich.
Nach dem Bundeswahlgesetz müsste eine Wahlwiederholung spätestens 60 Tage nach dem Urteil stattfinden. Der Berliner Landeswahlleiter Stephan Bröchler rechnet damit, dass dann wahrscheinlich am Sonntag, den 11. Februar 2024, gewählt wird.
Aktenzeichen: 2 BvC 4/23