Ministerin Klöckner Vermitteln bis zum Verwässern
Als Landwirtschaftsministerin wollte Klöckner viel verändern. Doch statt gesetzlicher Vorgaben setzte sie meist auf freiwillige Selbstverpflichtungen. Was hat sie erreicht? Eine Bilanz.
Die Aufgaben sind groß, und das wusste auch Julia Klöckner: Verbraucherinnen und Verbraucher, Tier- und Umweltschützer fordern eine nachhaltigere Landwirtschaft. Landwirte wiederum wollen, dass sie gut wirtschaften können und ihre Arbeit anerkannt wird.
Zu Beginn ihrer Amtszeit skizzierte die CDU-Ministerin ihre Vorhaben so: "Unsere drei Hauptfelder: Tierwohl, Ernährungsbildung und Wettbewerbsfähigkeit unserer Landwirtschaft." Und weil Landwirtschaft und Ernährung jeden und jede angeht, nennt Klöckner ihr Ministerium gerne "Lebensministerium".
Die Ministerin, die selbst aus einer Winzerfamilie stammt, setzte bei ihrer Politik weniger auf verbindliche gesetzliche Vorgaben, sondern vielmehr auf freiwillige Selbstverpflichtungen. Beim Kampf gegen Übergewicht und ungesunde Ernährung entwickelte sie eine Strategie gemeinsam mit der Lebensmittelwirtschaft. Das Ziel: weniger Zucker, Salz und Fett in Fertigprodukten. Eine Steuer auf Zucker, wie sie zum Beispiel Frankreich hat, lehnte Klöckner ab.
Ein gemeinsames Video auf der Twitter-Seite des Ministeriums mit dem Deutschlandchef des Lebensmittelkonzerns Nestlé brachte der Ministerin viel Ärger ein. Klöckner wies den Vorwurf zurück, dass sie sich von Lobbyisten beeinflussen lasse. Sie blieb bei ihrer Strategie der freiwilligen Vereinbarungen, etwa bei der Einführung des farbigen Logos "Nutriscore" auf Lebensmittelverpackungen.
Freiwilligkeit und Freiräume
Auf Freiwilligkeit setzte Klöckner auch beim staatlichen Tierwohllabel, eines der wichtigsten Vorhaben der Ministerin. Auch hier handelte sie sich viel Unmut ein, unter anderem vom Koalitionspartner SPD. Die Kritik: Die Pläne seien zu unambitioniert, das Label zudem nicht verpflichtend. Zwischenzeitlich führten große Supermarktketten eine eigene Kennzeichnung auf Fleischverpackungen ein.
Die Kriterien gehen Verbraucher- und Tierschützern aber nicht weit genug. Höhere Standards bei der Tierhaltung sollte das staatliche Label bieten. Doch das kam nicht voran. Klöckner verwies immer wieder auf den Konflikt mit EU-Recht. Auf nationaler Ebene könne kein verpflichtendes Label eingeführt werden, argumentierte sie. Schließlich scheiterte das Label für bessere Tierhaltung auf Fleischprodukte vorerst.
Im Clinch mit der Umweltministerin
Zu langsam, zu spät, das kritisieren Tierschutzbund, Grüne und SPD auch beim Ausstieg aus dem Kükentöten. Im Koalitionsvertrag war ein Ende des massenhaften Tötens männlicher Eintagsküken eigentlich für Mitte der Legislaturperiode, also für Herbst 2019, vorgesehen. Jetzt kommt es Anfang 2022.
In ihrer Amtszeit geriet Klöckner immer wieder mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze aneinander. Die SPD-Politikerin wollte mehr Artenvielfalt und mehr Insektenschutz auch in der Landwirtschaft durchsetzen und sah ihre Kabinettskollegin dabei auf der Bremse. Schulze warf Klöckner vor, sich nicht genug für die Umwelt einzusetzen.
Zähes Ringen um Insektenschutz
Dabei geht es auch um das große Ganze: eine grundlegende Reform der EU-Agrarförderung. Schulze will "eine Landwirtschaft fördern, die eben nicht Insekten schadet". Mittlerweile ist ein Schritt in die Richtung auf EU-Ebene getan. Bauern sollen ein Teil der Fördergelder künftig nur erhalten, wenn sie mehr für Umwelt- und Klimaschutz tun.
Beide Ministerinnen traten auch gemeinsam auf: bei der Präsentation des Aktionsprogramms Insektenschutz etwa. Beide reisten auch nach Brüssel, um die Pläne für schärfere Düngeregeln in Deutschland zu präsentieren. Die müssen angepasst werden nach einer Klage der EU-Kommission wegen zu hoher Nitratwerte im Grundwasser.
In Deutschland stoßen die Vorgaben auf Widerstand. Tausende Landwirte protestierten gegen Schulze, aber auch zunehmend gegen die Politik von Klöckner. Sie wenden sich gegen Umweltschutzvorgaben und forderten Verlässlichkeit von der Politik, Wertschätzung und faire Preise für ihre Produkte. Die Ministerin warb um Verständigung, nahm aber auch die Bauern in die Pflicht: "Wir müssen das umsetzen, liebe Bauern, ansonsten drohen Strafzahlungen", sagte sie.
Wissenschaftler bemängeln klare Ziele
Immer wieder sieht sich Klöckner als Vermittlerin zwischen verschiedenen Gruppen. Sie wolle, dass "wir eines gemeinsam hinbekommen. Dass wir das Gegeneinander von Interessen überwinden", zum Beispiel Stadt und Land, Landwirtschaft und Umwelt. Eine nachhaltige Landwirtschaft sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Konkrete Zielvorstellungen und entsprechende Strategien für eine künftige Landwirtschaft aber fehlen, monierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Branche, und sahen dabei auch die Politik in der Verantwortung.
Zukunftskommissionen und Realpolitik
Die Ministerin setzte eine Kommission ein, die Vorschläge zum Umbau der Tierhaltung erarbeitet und Kosten der Umstrukturierung für Tierhalterinnen und Tierhalter durchrechnen lässt. Der Bundestag stimmte den Vorschlägen zu, die Bundesregierung wurde aufgefordert, die Empfehlungen aufzugreifen.
Eine weitere Kommission aus Vertreterinnen und Vertretern von Landwirtschaft, Ernährungsbranche, Handel, Natur- und Verbraucherschutzverbänden einigte sich auf Vorschläge, wie Landwirtschaft umweltschonender werden kann und Bauern dabei gut wirtschaften können. Zwar sah Klöckner in der Arbeit der "Zukunftskommission" Rückenwind für ihre Arbeit. Die Kritik, unter anderem aus der SPD, aber ist deutlich: Die Einigung der Zukunftskommission zeige, wie weit die Politik von Klöckner der Wirklichkeit hinterherhinke.
Die Aufgaben sind groß. Klöckner hat sie angepackt. Aber das, was sie erreicht hat, können höchstens Zwischenschritte sein auf dem Weg hin zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft. Lösungsvorschläge, die auch langfristig tragbar sein können, hat die Zukunftskommission erarbeitet. Und auch, wenn die Vorschläge nicht überall auf Zustimmung stoßen, die Politik hat nun konkrete Ideen an die Hand bekommen. Die Umsetzung wird Aufgabe der nächsten Bundesregierung sein.