Urteil des Bundessozialgerichts Der lange Streit um den Elternbonus
Müssen Eltern bei der Beitragspflicht für Renten und Krankenversicherung entlastet werden, weil sie durch die Kindererziehung auch einen entscheidenden Beitrag leisten? Nein, hat das Bundessozialgericht entschieden.
Worum ging es vor dem Bundessozialgericht?
Eine Familie aus Freiburg klagt sich seit neun Jahren durch alle Instanzen. Die Eltern von drei Kindern fühlen sich gegenüber Kinderlosen benachteiligt und fordern, dass von ihnen weniger Sozialversicherungsbeiträge verlangt werden. Also weniger Beiträge für die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung und weniger Beiträge für die soziale Pflegeversicherung. Ihr Argument: Kinder sind für diese Sozialversicherungssysteme in der Zukunft immens wichtig. Wer also Kinder hat, leistet bereits einen entscheidenden Beitrag. Wenn Eltern darüber hinaus aber noch die gleichen Summen zahlen müssen wie Kinderlose, dann leisteten sie einen doppelten Beitrag. Das sei ungerecht. Auch in den ersten beiden Instanzen hatten die Kläger keinen Erfolg.
Warum soll die Kindererziehung quasi ein eigener Beitrag sein?
Die Kläger argumentieren, dass in allen drei Versicherungen ein Risiko abgedeckt wird, das vor allem im Alter eintritt beziehungsweise im Alter besondere Kosten verursacht. Außerdem sind alle drei Sozialversicherungen umlagefinanziert. Das heißt: Die Beitragszahler finanzieren mit ihren Beiträgen nicht ihre eigenen Renten oder Pflegekosten, sondern sie finanzieren die Kosten der Menschen, die jetzt pflegebedürftig sind, Renten beziehen oder besonders hohe Gesundheitsleistungen benötigen. Das heißt auch: Die heutigen Kinder werden später für die Renten und Pflegekosten der jetzigen Beitragszahler aufkommen. Deshalb - so das Argument der Kläger - erbringen alle Eltern eine doppelte Leistung. Sie "finanzieren" Kinder, die später die Sozialversicherungssysteme aufrecht erhalten. Kinderlose Paare würden dann in Zukunft auch von ihren Kindern profitieren. Das halten sie für ungerecht.
Zahlen Eltern denn tatsächlich überall die gleichen Beiträge wie Kinderlose?
Nein, seit 2005 zahlen Kinderlose in der Pflegeversicherung einen Beitragszuschlag von 0,25 Beitragssatzpunkten. Dieses Gesetz geht zurück auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2001. Damals hatten die Karlsruher Richter für die Pflegeversicherung festgestellt, dass es eine Ungleichbehandlung gibt zwischen Eltern und kinderlosen Erwachsenen. Denn: Kinder seien für die Pflegeversicherung enorm wichtig, weil sie die Pflegekosten in Zukunft übernehmen würden. Dies sei durch den Gesetzgeber auszugleichen, wenn absehbar sei, dass ein großer Teil der Beitragszahler keine Kinder mehr bekomme.
Was hat das Bundessozialgericht jetzt entschieden?
Den Klägern und einigen großen Familienverbänden ist dieser Ausgleich in der Pflegeversicherung nicht genug. 0,25 Beitragspunkte seien zu wenig. Vor allem aber müsse es auch in der gesetzlichen Renten- und der gesetzlichen Krankenversicherung einen Ausgleich geben.
Eltern zögen die Beitragszahler von morgen auf und müssten - abgesehen von der Pflegeversicherung - dennoch die gleichen Sozialbeiträge bezahlen wie Kinderlose, so die Argumentation der Kläger. Bestehende Entlastungen, etwa die kostenlose Familienversicherung von Kindern in der Krankenversicherung oder sogenannte Anrechnungszeiten für die Kinderbetreuung bei der Rente, glichen dies bei weitem nicht aus. So machten bei den klagenden Eltern die Anrechnungszeiten einen Vorteil von nur gut 8000 Euro aus. Zudem habe das Bundesverfassungsgericht 2001 in seinem Urteil zur Pflegeversicherung einen direkten Ausgleich bei den Beiträgen gefordert.
Wie schon die Vorinstanzen ist nun auch das BSG dieser Argumentation nicht gefolgt.
Die Kläger wollen die Entscheidung des Bundessozialgerichts nun vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen.